Checkliste: Bestandsgebäude hitzeresilient umbauen
Ziel
Sie wollen Bewohner:innen in Bestandsgebäuden besser vor Hitze schützen und suchen Alternativen zu energieintensiven Klimaanlagen? Mit dieser Checkliste können Sie den Umbau planen und überprüfen. Einzelne Maßnahmen können im „normalen Betrieb“ umgesetzt werden. Gemeinsam mit einer ohnehin geplanten Renovierung oder Sanierung können Sie auch größere bauliche Maßnahmen prüfen oder mehrere zeitgleich in Angriff nehmen.
Für
- Kommunale Verwaltung (v. a. Planungsfachstellen)
- Freie Planer:innen (v. a. Architektur)
- Eigentümer:innen, Wohnungsunternehmen
Für noch zu planende Gebäude nutzen Sie bitte die Checkliste „Neue Wohngebäude hitzeresilient planen“. |
Foto: Adobe Stock
Außenverschattung anbringen
Phase: Je nach System im Rahmen einer Sanierung oder imlaufenden Betrieb
Hauptverantwortliche: Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Außenverschattung ist auch eine Kostenfrage. Sie kann allerdings der energie- und kostenintensiven Nachrüstung mit Klimaanlagen vorbeugen und so langfristig Kosten einsparen, wenn in Zukunft die sommerliche Hitze zunimmt. Als effektive Hitzeschutzmaßnahme trägt sie zum Gesundheitsschutz der Bewohner:innen bei und kann helfen, einen Rechtsstreit mit Mieter:innen zu vermeiden. 2
Außenverschattung trägt zur Zufriedenheit bei
Befragte Münchner:innen,3 die über Außenverschattung verfügen, fühlen sich weniger stark von Hitze belastet und sind zufriedener. (r=0,135)
Innenverschattung anbringen
Phase: Jederzeit
Hauptverantwortliche: Eigentümer:innen/ Wohnungsunternehmen
Wirkung/Details
Zu beachten
Weniger effektiv, aber günstiger als außen liegender Sonnenschutz, sind Maßnahmen auf der Fensterinnenseite. Bewohner: innen können Innenverschattung auch selbst anbringen. Vermieter:innen können unterstützende Informationen in Aushängen oder Briefen bieten, etwa zur Wirkung verschiedener Systeme (Vorhänge, Jalousien, Plissees, Folien) und dazu, ob bzw. wie das selbstständige Anbringen mietrechtlich zulässig ist.
Fassadenbegrünung anbringen
Phase: Je nach System im Rahmen einer Sanierung oder imlaufenden Betrieb
Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Fassadenbegrünung verschattet und sorgt für Verdunstungskühlung. So wird tagsüber weniger Wärme gespeichert und nachts ist die Abkühlung höher. Am effektivsten ist Begrünung bei Fassaden, die durch eine Süd- oder Südwestausrichtung tagsüber viel Strahlung ausgesetzt sind. Fassadenbegrünung senkt auch die Lufttemperatur in ihrer unmittelbaren Umgebung.
Eigentümer:innen haben teils Vorbehalte wegen Wartungskosten oder möglicher Schäden an der Fassade. Durch die Auswahl des richtigen Systems lassen sich Vorteile nutzen und Schäden vermeiden.
Bewohner:innen haben teils Vorbehalte gegen eine Fassadenbegrünung, weil sie Schädlinge und Insekten befürchten. Hier kann eine Information beim Einzug helfen, die Vorurteile abbaut und Hinweise gibt (z. B. zur Möglichkeit Insektengitter anzubringen).
Vorteile der Fassadenbegrünung auf einen Blick:
- Verbesserung des Mikroklimas in der Stadt durch Verdunstungskühlung: Abkühlung um bis zu 0,4 °C in bis zu vier Metern Entfernung
- Erhöhung der Aufenthaltsqualität im Straßenraum und ‚optische‘ Kühlung
- Minderung des Regenwasserabflusses
- Wärmedämmung durch zusätzliche Schichten an der Fassade und Evapotranspiration der Bepflanzung
- Durch Dämmwirkung der Fassadenbegrünung Senkung des Heizenergiebedarfs im Winter und des Kühlenergiebedarfs im Sommer
Sensibilisierung und Information der Bewohner:innen
Phase: Optimal bei Bezug oder während des Betriebs
Hauptverantwortliche: Eigentümer:innen/ Wohnungsunternehmen
Wirkung/Details
Zu beachten
Damit sich Bewohner:innen besser schützen, können Vermieter:innen auf Hitzewarnungen (z. B. vom Deutschen Wetterdienst) hinweisen, entweder beim Einzug oder während des Sommers durch E-Mails, Anschreiben oder Aushänge. Darin können sie über richtiges Lüften, Verschatten und andere Maßnahmen aufklären.
Das Material sollte in möglichst einfacher Sprache gehalten sein und ggf. mehrsprachig zur Verfügung stehen. Falls personell machbar, ist eine fachkundige persönliche Einweisung durch geschulte Mitarbeiter:innen besonders nachhaltig.
Wohnlagen und Bedarfe berücksichtigen
Phase: Bei Neubezug
Hauptverantwortliche: Eigentümer:innen/ Wohnungsunternehmen
Wirkung/Details
Zu beachten
Manche Wohnungen sind durch ihre Ausrichtung oder Lage im Gebäude kühler (EG-Wohnungen) oder wärmer (DG-Wohnungen). Wenn ein Neubezug stattfindet, können kühlere Wohnlagen für vulnerable Bewohner:innen priorisiert werden, etwa für Senior:innen oder Bewohner:innen mit Behinderung.
Grundrisse anpassen für verbessertes Lüftungskonzept
Phase: Jederzeit
Hauptverantwortliche: Eigentümer:innen/ Wohnungsunternehmen
Wirkung/Details
Zu beachten
Nachtlüften ist eine sehr effektive Art, ein Gebäude ohne Energieverbrauch zu kühlen.5 Querlüften steigert den Luftaustausch und die erhöhte Luftgeschwindigkeit wird als kühlend empfunden. Wenn ein Umbau geplant ist, können daher ggf. Wohnungsgrundrisse so angepasst werden, dass effektive Nacht- und Querlüftung möglich wird. Sie können auch prüfen, ob Nachtlüftung im Hausflur ermöglicht und ggf. technisch unterstützt werden kann (automatisch nachts öffnende/kippende Fenster).
Eine hohe Lärmbelastung von außen schränkt die Möglichkeit zur Nacht- und Querlüftung ein. Grundrisse sollten so ausgerichtet sein, dass insbesondere die Schlafzimmer auf einer ruhigen Seite ohne starken (nächtlichen) Verkehr liegen. Querlüften über den Hausflur ist für Bewohner: innen meist keine Option wegen Lärm, Gerüchen und der Privatsphäre, sodass optimalerweise Querlüften innerhalb der Wohnung ermöglicht werden sollte.
Intensive Dachbegrünung vornehmen
Phase: Je nach System im Rahmen einer Sanierung oder im laufenden Betrieb
Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Intensive Dachbegrünung erfordert eine höhere Substratstärke als extensive, wodurch das Gewicht und die statischen Voraussetzungen größer sind als bei extensiver Dachbegrünung. Sie sollten daher prüfen, ob und wie eine nachträgliche intensive Dachbegrünung realisierbar ist.
Extensive Dachbegrünung vornehmen
Phase: Je nach System im Rahmen einer Sanierung oder im laufenden Betrieb
Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Extensive Dachbegrünung bringt durch die geringere Substratstärke weniger Gewicht auf das Dach und ist somit statisch weniger voraussetzungsreich und günstiger als intensive Dachbegrünung. So ist auch eine nachträgliche Dachbegrünung leichter möglich als mit intensiver Dachbegrünung.
Dachbegrünung reduziert Oberflächentemperatur um bis zu 20 °C
Abb. 2: Die extensiv begrünten Dächer (rechts) weisen eine deutlich niedrigere Oberflächentemperatur auf als die unbegrünten Dächer. Simulation für einen Hitzetag im Juli um 14 Uhr.8
Vorteile der Fassadenbegrünung auf einen Blick:
- Die Bepflanzung verringert durch Verdunstung und Verschattung die Wärmespeicherung und -abstrahlung des Daches.
- Der Innenkomfort im Gebäude verbessert sich um 3–5 °C, weil weniger Wärme eintritt.
- Die Dämmung steigt um ca. 10 %, dadurch sinkt der Heizbedarf im Winter und der Kühlbedarf im Sommer.
- Regenwasser wird zurückgehalten, gespeichert und fließt verzögert ab, was die städtische Kanalisation entlastet.
Fördermöglichkeiten / Finanzierung des hitzeresilienten Umbaus von Bestandsgebäuden
- Mit der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) können Sie insbesondere auch Fördermittel für die Finanzierung von Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz bekommen.
- Auch mit einer KfW-Förderung können Sie Zuschüsse für Gebäudesanierungen mit sommerlichem Wärmeschutz erhalten.
Die hitzeangepasste Gestaltung von Freiflächen leistet einen wichtigen Beitrag zur Hitzeresilienz der Bewohner:innen einer Stadt bzw. eines Quartiers. Dazu gehört die entsprechende Gestaltung von großen Grünräumen wie städtischen Grüngürteln oder Stadtparks, aber auch kleinerer öffentlicher und privater Grünflächen wie Innenhöfe oder Vorgärten. Hinweise dazu finden Sie in den Checklisten „Klimaresiliente Freiräume langfristig planen“ und „Quartiersfreiflächen klimaresilient gestalten“.
- Li Langevin, J., Wen, J., & Gurian, P. L. (2012). Relating occupant perceived control and thermal comfort: Statistical analysis on the ASHRAE RP-884 database. HVAC&R Research, 18(1-2), 179–194.
- Die Rechtslage hinsichtlich der Verpflichtung von Vermieter:innen zu Hitzeschutzmaßnahmen ist unklar; es gibt widersprüchliche Gerichtsurteile: vgl. z. B. https://www.promietrecht.de/Mangel/einzelne-Maengel/Hitze/Hitze-Sonne-heizt-Wohnung-auf-muss-der-Vermieter-handeln-E2223.htm Jedoch ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung der Vermieter:innen zum Hitzeschutz vor dem Hintergrund der Klimaerhitzung zukünftig verschärft wird.
- Datenbasis: Hitzestudie im München im Sommer 2020. Online-Haushaltsbefragung mit 731 teilnehmenden Haushalten und Temperaturmessungen im Schlafzimmer mit 342 teilnehmenden Haushalten. Messzeitraum: Juli–September, Auswertung von zwei Hitzeperioden im August 2020. Die Studie wurde im gesamten Münchner Stadtgebiet durchgeführt. So ließen sich unterschiedliche Sozialstrukturen, Bauformen und Mikroklimata abdecken.
- Datenbasis: Simulation mit dem Modellierungstool ENVI-met im Rahmen des Projekts Grüne Stadt der Zukunft. Unterschiede der Oberflächentemperatur von begrünten und nicht begrünten Süd- und Westfassaden in einem Reallabor in München. Die Modellierung erfolgte für den Hitzetag des 05. Juli 2015 und stellt die Auswertung um 14 Uhr dar. Für die Fassadenbegrünung wurde hier bodengebundener Wilder Wein (Parthenocissus tricuspidata) in einer Dicke von 30 cm angenommen. Türen- und Fensteranteile wurden von der Fassadenbegrünung ausgeklammert.
- Schrade, J. & Erhorn, H. (2017). Influence of night ventilation on the cooling demand of typical residential buildings in Germany. 38th AIVC Conference „Ventilating healthy low-energy buildings“, Nottingham. https://www.aivc.org/resource/influence-night-ventilation-cooling-demand-typical-residential-buildings-germany
- Brune, M., Bender, S. & Groth, M. (2017). Gebäudebegrünung und Klimawandel. Anpassung an die Folgen des Klimawandels durch klimawandeltaugliche Begrünung. Climate Service Center, Report 30.
- Ebd.
- Datenbasis: Simulation mit dem Modellierungstool ENVI-met im Rahmen des Projekts Grüne Stadt der Zukunft. Unterschiede der Oberflächentemperatur von begrünten und nicht begrünten Dächern anhand zweier Gebäude aus einem Reallabor in München. Die Modellierung erfolgte für den Hitzetag des 05. Juli 2015 und stellt die Auswertung um 14 Uhr dar. Das modellierte Gründach ist zu 50 % mit einer in Streifen angelegten extensiven Begrünung (Substratstärke 20 cm) bedeckt. Dazwischen sind die anderen 50 % mit Photovoltaikmodulen belegt.
Hintergrund
Im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ erhob die Arbeitsgruppe „Lokale Passung“ am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München unter anderem in einer Haushaltsbefragung und in Expertengesprächen, welche Hitzeschutzmaßnahmen den Bewohner:innen helfen, trotz zunehmender sommerlicher Hitze gut leben zu können.
Impressum
Autor:innen:
Amelie Bauer
Sophie Duschinger
Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Soziologie
Stand: Oktober 2023
Redaktion: Antonia Sladek, IÖW
Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de
Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen
Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“