Checkliste: Neue Wohngebäude hitzeresilient planen
Ziel
Mit dieser Checkliste überprüfen Sie, ob geplante Wohngebäude auf die zunehmende Sommerhitze vorbereitet sind und wie sie ggf. noch umgestaltet werden können. Die Maßnahmen verbessern den Hitzeschutz der Bewohner:innen – ohne energieintensive Klimaanlagen.
Für
- Kommunale Verwaltung (v. a. Planungsfachstellen)
- Freie Planer:innen (v. a. Landschaftsarchitektur, Architektur, Stadtplanung)
- Bauherr:innen, Eigentümer:innen, Wohnungsunternehmen
- Projektentwickler:innen
Für bereits fertiggestellte Gebäude nutzen Sie bitte die Checkliste „Bestandsgebäude hitzeresilient umbauen“. |
Foto: Adobe Stock
Altbaumbestand erhalten
Phase: Bei Planungsbeginn priorisieren
Hauptverantwortliche: Eigentümer:innen / Wohnungsunternehmen, Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen, Planer:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Großbäume kühlen die Innenräume eines Gebäudes, indem sie Fassaden verschatten. Dabei sind Altbäume weitaus wirksamer als Neupflanzungen, die erst nach Jahrzehnten ihre volle Kühlwirkung entfalten.
Bei der Planung sollten Sie Bestandsbäume im Entwurf beachten und Fällungen möglichst vermeiden. Während der Bauphase sind zudem Baum- und Wurzelschutzmaßnahmen einzuplanen.
Lüftungskonzept: Querlüften ermöglichen
Phase: Frühe Planungsphase
Hauptverantwortliche: Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Querlüften steigert den Luftaustausch, die erhöhte Luftgeschwindigkeit wird zudem als kühlend empfunden.
Eine hohe Lärmbelastung von außen schränkt die Möglichkeit zur Querlüftung ein. Grundrisse sollten so ausgerichtet sein, dass insbesondere die Schlafzimmer auf einer ruhigen Seite ohne starken (nächtlichen) Verkehr liegen. Querlüften über den Hausflur ist für Bewohner:innen meist keine Option wegen Lärm, Gerüchen und der Privatsphäre.
Lüftungskonzept: Nachtlüften ermöglichen
Wirkung/Details
Zu beachten
Phase: Frühe Planungsphase
Hauptverantwortliche: Architekt:innen
Eine hohe Lärmbelastung von außen schränkt die Möglichkeit zur Nachtlüftung ein. Grundrisse sollten so ausgerichtet sein, dass insbesondere die Schlafzimmer auf einer ruhigen Seite ohne starken (nächtlichen) Verkehr liegen.
Außenverschattung einplanen
Phase: Frühe Planungsphase
Hauptverantwortliche: Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Intensive Dachbegrünung vornehmen
Phase: Frühe Planungsphase
Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Intensive Dachbegrünung erfordert eine höhere Substratstärke als extensive, wodurch das Gewicht und die statischen Voraussetzungen größer sind als bei extensiver Dachbegrünung. Dies muss frühzeitig in der Planung beachtet werden.
Extensive Dachbegrünung vornehmen
Phase: Am besten frühzeitig während der Planung, aber auch später möglich
Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Extensive Dachbegrünung bringt durch die geringere Substratstärke weniger Gewicht auf das Dach und ist somit statisch weniger voraussetzungsreich und günstiger als intensive Dachbegrünung.
Vorteile der Dachbegrünung auf einen Blick:
- Die zusätzlichen Schichten der Dachbepflanzung und die Evapotranspiration der Pflanzen dienen als Wärmedämmung.
- Die Dachoberflächentemperatur sinkt um bis zu 20 °C, dadurch reduziert sich der Kühlenergiebedarf um 2,2–16 %.
- Auch der Heizenergiebedarf im Winter wird aufgrund der Dämmwirkung der Dachbegrünung um 2,2–16 % gesenkt.
- Extensiv begrünte Dächer reduzieren den jährlichen Regenwasserabfluss um mehr als 50 %.
Baumpflanzungen vornehmen
Phase: Am besten während der Planungsphase
Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Großbäume kühlen die Innenräume eines Gebäudes, indem sie Fassaden verschatten. Auch wenn die erste Priorität immer sein sollte, vorhandene Bäume zu erhalten (s. o.), sind Neupflanzungen eine sinnvolle Investition in die Zukunft.
Damit große Bäume im Winter nicht wertvolles Tageslicht vom Gebäude abhalten, bietet es sich an, gebäudenah eher Laubbäume zu pflanzen, die ihr Blattwerk im Winter verlieren. Entscheidend ist auch die Wahl von klimaresilienten Baumarten, damit die Bäume lange leben und groß wachsen können. Beachten Sie insbesondere, dass die Bäume am neuen Standort genügend Wurzelraum haben. Die Pflanzung über einer Tiefgarage etwa schränkt das Wachstum und damit das Kühlpotenzial der Bäume deutlich ein.
Artenliste klimaresilienter Straßenbäume:
Die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz e. V. (GALK) führt eine regelmäßig aktualisierte Liste geeigneter Stadt- und Straßenbäume. Zudem gibt es eine Broschüre der GALK und des Bunds Deutscher Baumschulen e. V. (BdB), die eine Auswahl der Straßenbaumliste näher erläutert.
Wohnlagen und Bedarfe berücksichtigen
Phase: Bei Bezug
Hauptverantwortliche: Eigentümer:innen / Wohnungsunternehmen
Wirkung/Details
Zu beachten
Manche Wohnungen sind durch ihre Ausrichtung oder Lage im Gebäude kühler (EG-Wohnungen) oder wärmer (DG-Wohnungen). Beim Neubezug können kühlere Wohnlagen für vulnerable Bewohner:innen priorisiert werden, etwa für Senior:innen oder Bewohner:innen mit Behinderung.
Fassadenbegrünung anbringen
Phase: Je nach System frühzeitig oder nach Bezug
Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen
Wirkung/Details
Zu beachten
Fassadenbegrünung verschattet und sorgt für Verdunstungskühlung. So wird tagsüber weniger Wärme gespeichert und nachts ist die Abkühlung höher. Am effektivsten ist Begrünung bei Fassaden, die durch eine Süd- oder Südwestausrichtung tagsüber viel Strahlung ausgesetzt sind. Fassadenbegrünung senkt auch die Lufttemperatur in ihrer unmittelbaren Umgebung.
Eigentümer:innen haben teils Vorbehalte wegen Wartungskosten oder möglicher Schäden an der Fassade. Durch die Auswahl des richtigen Systems lassen sich Vorteile nutzen und Schäden vermeiden.
Bewohner:innen haben teils Vorbehalte gegen eine Fassadenbegrünung, weil sie Schädlinge und Insekten befürchten. Hier kann eine Information beim Einzug helfen, die Vorurteile abbaut und Hinweise gibt (z. B. auf die Möglichkeit, Insektengitter anzubringen).
Vorteile der Fassadenbegrünung auf einen Blick:
- Verbesserung des Mikroklimas in der Stadt durch Verdunstungskühlung: Abkühlung um bis zu 0,4 °C in bis zu vier Metern Entfernung
- Erhöhung der Aufenthaltsqualität im Straßenraum und ‚optische‘ Kühlung
- Minderung des Regenwasserabflusses
- Wärmedämmung durch zusätzliche Schichten an der Fassade und Evapotranspiration der Bepflanzung
- Wärmedämmung durch zusätzliche Schichten an der Fassade und Evapotranspiration der Bepflanzung
- Senkung des Heizenergiebedarfs im Winter und des Kühlenergie¬bedarfs im Sommer durch Dämmwirkung
Fördermöglichkeiten / Finanzierung des Neubaus hitzeresilienter Wohngebäude
- Der Bundesverband GebäudeGrün (BuGG) führt eine jährlich aktualisierte Liste kommunaler sowie Länder- und Bundes-Förderprogramme für Gebäudebegrünung.
Auch hitzeangepasste Freiflächen leisten einen wichtigen Beitrag zur Hitzeresilienz der Bewohner:innen einer Stadt bzw. eines Quartiers. Dazu gehört die entsprechende Gestaltung von großen Grünräumen wie städtischen Grüngürteln oder Stadtparks, aber auch kleinerer öffentlicher und privater Grünflächen wie Innenhöfe oder Vorgärten. Hinweise dazu finden Sie in den Checklisten „Klimaresiliente Freiräume langfristig planen“ und „Quartiersfreiflächen klimaresilient gestalten“.
Im Forschungsprojekt KlimaWohl wurde ein Praxisleitfaden entwickelt, der anhand von Checklisten Hinweise zum klimaangepassten Planen und Bauen in allen Planungs- bzw. Leistungsphasen gibt und „Stolpersteine“ benennt.
Das Institut für Architektur der TU Berlin erarbeitete Bildungsmodule für klimaresiliente Architektur: www.bimoka.de
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) gibt in einer Broschüre Hinweise zur Begrünung im Gebäudebereich. Kurzsteckbriefe stellen Best Practice Beispiele vor.
- Schrade, J. & Erhorn, H. (2017). Influence of night ventilation on the cooling demand of typical residential buildings in Germany. 38th AIVC Conference „Ventilating healthy low-energy buildings“, Nottingham. https://www.aivc.org/resource/influence-night-ventilation-cooling-demand-typical-residential-buildings-germany
- Langevin, J., Wen, J., & Gurian, P. L. (2012). Relating occupant perceived control and thermal comfort: Statistical analysis on the ASHRAE RP-884 database. HVAC&R Research, 18(1–2), 179–194.
- Die Rechtslage hinsichtlich der Verpflichtung von Vermieter:innen zu Hitzeschutzmaßnahmen ist unklar; es gibt widersprüchliche Gerichtsurteile: vgl. z. B. https://www.promietrecht.de/Mangel/einzelne-Maengel/Hitze/Hitze-Sonneheizt-Wohnung-auf-muss-der-Vermieter-handeln-E2223.htm Jedoch ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung der Vermieter:innen zum Hitzeschutz vor dem Hintergrund der Klimaerhitzung zukünftig verschärft wird.
- Datenbasis: Hitzestudie im München im Sommer 2020. Online Haushaltsbefragung mit 731 teilnehmenden Haushalten und Temperaturmessungen im Schlafzimmer mit 342 teilnehmenden Haushalten. Messzeitraum: Juli–September, Auswertung von zwei Hitzeperioden im August 2020. Die Studie wurde im gesamten Münchner Stadtgebiet durchgeführt. So ließen sich unterschiedliche Sozialstrukturen, Bauformen und Mikroklimata abdecken.
- Brune, M., Bender, S. & Groth, M. (2017). Gebäudebegrünung und Klimawandel. Anpassung an die Folgen des Klimawandels durch klimawandeltaugliche Begrünung. Climate Service Center, Report 30.
- Ebd.
- Datenbasis: Simulation mit dem Modellierungstool ENVI-met im Rahmen des Projekts Grüne Stadt der Zukunft. Unterschiede der Oberflächentemperatur von begrünten und nicht begrünten Dächern anhand zweier Gebäude aus einem Reallabor in München. Die Modellierung erfolgte für den Hitzetag des 05. Juli 2015 und stellt die Auswertung um 14 Uhr dar. Für das Gründach wurde eine Substratstärke von 20 cm und in Streifen angelegte extensive Dachbegrünung angenommen.
- Datenbasis: Simulation mit dem Modellierungstool ENVI-met im Rahmen des Projekts Grüne Stadt der Zukunft. Unterschiede der Oberflächentemperatur von begrünten und nicht begrünten Süd- und Westfassaden in einem Reallabor in München. Die Modellierung erfolgte für den Hitzetag des 05. Juli 2015 und stellt die Auswertung um 14 Uhr dar. Das modellierte Gründach ist zu 50% mit in Streifen angelegter extensiver Begrünung mit einer Substratstärke von 20cm bedeckt. Dazwischen sind die anderen 50% mit Photovoltaikmodulen belegt.
Hintergrund
Im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ erhob die Arbeitsgruppe „Lokale Passung“ am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universi-
tät München unter anderem in einer Haushaltsbefragung und in Expertengesprächen, welche Hitzeschutzmaßnahmen den Bewohner:innen helfen, trotz zunehmender sommerlicher Hitze gut leben zu können.
Impressum
Autor:innen:
Amelie Bauer
Sophie Duschinger
Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Soziologie
Stand: Oktober 2023
Redaktion: Antonia Sladek, IÖW
Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de
Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen
Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“