Leitfaden: Mit Zukunftsbildern in den Dialog treten
Gemeinsame Visionen für klimaresiliente Quartiere entwickeln und umsetzen
Ziel
Mit Zukunftsbildern können Sie frühzeitig Diskussionen über Ziele, Gestaltungsoptionen und Umsetzungsschritte anstoßen, wenn Sie Quartiere und Gebäude klimaresilient (um-)gestalten wollen. Der Leitfaden zeigt, wie Sie über einen Zukunftsbildprozess Begrünungsmaßnahmen partizipativ gestalten: Dabei entsteht aus verschiedenen Zukunftsvarianten ein gemeinsames Zukunftsbild. Gleichzeitig identifizieren Sie erste leicht umsetzbare Maßnahmen, die helfen ins Handeln zu kommen.
Für
- Kommunale Verwaltung (v. a. Planungsfachstellen)
- Freie Planer:innen (v. a. Stadtplanung und Landschaftsarchitektur)
Grafik: IÖW / V. Haese 2021
Wie grün sollen Städte in Zukunft sein?
Zukunftsbildprozesse weiten den Blick für verschiedene mögliche Begrünungsmaßnahmen. Sie fördern einen konstruktiven Austausch etwa zwischen Vertreter:innen verschiedener Fachreferate, Projektentwicklungs- und Wohnungsbaugesellschaften, Unternehmen oder bürgerschaftlichen Initiativen. Die Methode eignet sich auch für den Austausch zu Beginn eines partizipativen Planungsprozesses.
Im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ entwickelten die Forschungs- und Praxispartner Zukunftsbilder für verschiedene Münchner Fallbeispiele. Beteiligt waren vor allem Stakeholder. Ein professioneller Grafiker illustrierte die Bilder. Die entstandenen Bildvarianten und finalen Illustrationen können Sie gern verwenden: Flickr-Album des Projekts.
In vier Schritten zur gemeinsamen Zukunftsvision
1. Prozessplanung
Stecken Sie übergeordnete Ziele und den organisatorischen Rahmen ab:
Zielsetzung, Zielgruppen, den räumlichen und zeitlichen Horizont, mögliche Anknüpfungspunkte, die Darstellungsform und den Ablauf.
Den Rahmen schaffen
Konkretisieren Sie zunächst den Zukunftsbildprozess bestmöglich, damit Sie am Ende eine Vorstellung zu der erstrebenswerten Zukunftsvision und Hinweise zu deren Umsetzung erhalten. Orientierung geben die folgenden Hinweise und Fragen. Beantworten Sie diese so ausführlich wie nötig und so konkret wie möglich.
-
Welches Ziel wollen Sie konkret mit dem Prozess erreichen?
Die Entwicklung von Zukunftsbildern kann zum fachlichen Austausch zwischen Expert:innen beitragen oder Teil eines partizipativen Planungsprozesses in einem Quartier sein. -
Welche Gruppe(n) wollen Sie erreichen?
Findet der Zukunftsbildprozess als fachlicher Austausch statt, kann er entweder innerhalb der Verwaltung zwischen verschiedenen Bereichen erfolgen oder zwischen Verwaltung und Praxis im Rahmen von Workshops, Fachtagungen oder Weiterbildungen. Entstehen die Zukunftsbilder hingegen als Teil eines partizipativen Planungsprozesses, werden beispielsweise Anwohner:innen, Unternehmer:innen oder Vertreter:innen der Wohnungswirtschaft adressiert. -
Wo liegt Ihr räumlicher Fokus?
Die Zukunftsbilder können ein komplettes Quartier abdecken oder auf Ausschnitte wie einzelne Grün- und Freiräume oder Gebäude fokussieren. Schwerpunkt können Dächer, Fassaden, Innenhöfe, (Pocket-)Parks, Straßenzüge oder Kaltluftschneisen sein. -
An welchem Zieljahr orientiert sich das Zukunftsbild?
Achten Sie beim Zeitfenster (z. B. 2030, 2040, 2050) darauf, dass die Aktivitäten greifbar bleiben, aber planen Sie ausreichend Vorlauf und Handlungsspielräume ein. Ist das Zieljahr zu nah, können abstimmungsintensive Maßnahmen nicht umgesetzt werden, ist es zu weit entfernt, demotiviert das die Beteiligten.
Zukunftsbilder für ein fiktives klimaresilientes Neubauquartier 2040 (München)
Wie kann ein Neubauquartier 2040 aussehen, das trotz hoher Bevölkerungsdichte Stadtgrün erhält und verbessert? Das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ entwickelte dazu 2021 mehrere Zukunftsbilder: Sie zeigen Gestaltungsoptionen für Stadtgrün an Gebäuden und im Quartier, wie etwa Parks und Freiflächen, Straßenbäume sowie Dach- und Fassadenbegrünungen.
Abb. 1: Zukunftsbild zu Grün und Mobilität im fiktiven Neubauquartier.
Bei der Diskussion verschiedener Zukunftsbildvarianten in einem Workshop entstand eine gemeinsame Zukunftsvision, nachzulesen in dieser Publikation des IÖW.
Modellquartier „Am Horn“: „Wie wollt ihr leben und wohnen – heute und morgen?“ (Konstanz)
Seit 2015 treibt die Zukunftsstadt Konstanz das Neubauquartier „Am Horn“ als Reallabor für nachhaltiges Bauen und Wohnen voran. Zu Beginn der Planung konnten interessierte Bürger:innen, Wissenschaftler:innen, Studierende, Politiker:innen und weitere lokale Expert:innen an einem Beteiligungsprozess mitwirken. Sie tauschten sich zu der Frage aus, wie sie zukünftig leben und wohnen wollen. In einer zweiten Beteiligungsphase wurde vertieft diskutiert, wie sich eine hohe Wohn- und Lebensqualität mit einer gesteigerten Flächeneffizienz vereinbaren lässt. Das gelingt etwa mit vielen gemeinschaftlich genutzten Flächen – z. B. für Co-Working-Spaces, Mobilitätsstationen oder eine offene Werkstatt.
Abb. 2: Illustration der Zukunftsstadt mit dem Motto „Heute schon sehen, was Konstanz morgen ausmacht“.
An Bestehendes anknüpfen
An welche Ziele, Konzepte, Analysen und Pionierprojekte wollen Sie anknüpfen?
In die Zukunftsbilder können verschiedene Impulse einfließen: Von der globalen bis zur lokalen Ebene existieren bereits Ziele, Strategien, Maßnahmen und Konzepte für Themen wie nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung, Klimaschutz und Klimaanpassung, soziale Teilhabe und Inklusion. Relevante Hintergrundinformationen liefern zudem kommunale Planwerke, Klimakarten oder ‚Gute-Praxis‘-Beispiele. Auch können Sie mit relevanten Akteur:innen etwa aus der Bezirkspolitik, dem Quartiersmanagement, dem Wohnungsbau oder aus bürgerschaftlichen Initiativen sprechen, um Vorwissen zu Aktivitäten, Beispielen und Schlüsselpersonen in Verbindung mit Stadtgrün zu sammeln.
Good Practice: Pioniere des Wandels als Impulsgeber (München)
Die Wohnbaugenossenschaft wagnis eG in München zeigt, wie ein stärkeres Miteinander möglich ist: Sie schöpft Gestaltungsräume kreativ aus, indem sie nachhaltige Wohnprojekte nach dem Solidarprinzip realisiert. Ein Beispiel sind intensiv begrünte Dachgärten auf den Wohnhäusern. Diese zählen zu den vielen Gemeinschaftsflächen, die für alle Bewohner:innen zugänglich sind.
Hinweise zu Klima-Hot-Spots (München)
Die Klimafunktionskarte des Referats für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München ist eine wichtige Grundlage für die Identifikation von klimatischen ‚Hot-Spots‘ in der Stadt. Sie zeigt dringende Handlungserfordernisse auf. Vergleichbare Karten gibt es vermehrt auch in anderen Städten. Diese sollten herangezogen werden, um sich klimatisch in der Stadt und im Quartier zu orientieren und z. B. wichtige Kaltluftschneisen oder besonders mit Hitze belastete Flächen in die eigene Planung einzubeziehen.
Darstellungsform und Vorgehen planen
Wie wollen Sie die Zukunftsbilder darstellen?
Als Prozessverantwortliche:r entscheiden Sie nun, in welcher Form die Zukunftsbilder erarbeitet und dargestellt werden sollen, und schaffen so die Grundlage für die spätere Diskussion. Zukunftsbilder können als Narrative und Illustrationen dargestellt werden. Für beide Formen ist in der Entwicklung eine Erzählstruktur anzulegen, die für Sie wichtige Themen und Inhalte bildhaft wiedergibt. Die Umsetzung kann jeweils mit Unterstützung von externen Dienstleister:innen erfolgen und findet in der Regel im Vorfeld des eigentlichen Zukunftsbildprozesses statt. Achten Sie sowohl bei Illustrationen als auch bei Narrativen auf die richtige Fülle an Informationen und heben Sie einzelne Inhalte hervor, um später gut in die Diskussion zu kommen.
Wie wollen Sie die Diskussion der Zukunftsbilder gestalten?
Für die spätere Anwendung der Zukunftsbilder sollten Sie überlegen, ob Sie zunächst mit Illustrationen und/oder Narrativen in die Diskussion einsteigen wollen:
- Illustrationen können zugänglicher sein, da sie in den meisten Fällen als niedrigschwellig wahrgenommen werden. Sie wecken Interesse und stellen eine gute Diskussionsgrundlage dar. Die Kommunikation über sie ist einfach und auch Fachfremde können leicht mitdiskutieren. Aufgrund der Darstellung können sie jedoch auch suggestiv wirken.
- Mit Narrativen lässt sich freier diskutieren, da hier nicht zwingend vorgefertigte Lösungen verortet werden. Auch können komplexere Zusammenhänge zwischen Maßnahmen gut dargestellt werden. Für eine Gruppendiskussion können diese jedoch anspruchsvoller sein und es ist ggf. ein weiterer Transferschritt notwendig, um sie in ein visuelles Zukunftsbild zu überführen.
- Eine Option, beide Darstellungsformen zu vereinen, könnte die Kombination aus Narrativen und Live-Illustration (z. B. über ein ‚Graphic recording‘) sein. Darüber kann relativ frei diskutiert werden, ohne sich von vorgefertigten visuellen Reizen leiten zu lassen.
Narrative können zum Beispiel auf Quartiersspaziergängen basieren und über verschiedene Stationen unterschiedliche Themen und Inhalte ansprechen – etwa Grün am Gebäude oder Grün im Quartier. Auch können die Texte über konkrete Hinweise das Zusammenspiel mit sozialer Interaktion, alternativen Mobilitätslösungen oder sonstigen Themen in Verbindung mit Grün darstellen.
Illustrationen können analog die Themen und Inhalte der Narrative wiedergeben. Der Fokus kann dabei entweder auf einem Gebäude, einem Innenhof, einer Straße oder anderen Quartiersausschnitten liegen.
Zukunftsbild als Illustration und Narrativ für die Gestaltung eines Gründachs im Bestandsquartier (München)
Abb. 3: Illustration zum Dach der Sabel-Schulen im Südlichen Bahnhofsviertel in München.
Auszug aus dem Narrativ zum Zukunftsbild:
„Die Palmen hier oben sorgen für südliches Urlaubsflair. Daneben besticht das Dach durch seine extensive Begrünung mit Moosmatten, Sukkulenten und Gräsern, was nicht nur optisch etwas hermacht, sondern auch zur Luftreinhaltung und Kühlung beiträgt. Und damit nicht genug: Das schicke Grün dient gleichzeitig als Wasserrückhalt. Mithilfe gut durchdachter, naturbasierter Lösungen konnte die Regenwasserbewirtschaftung in den letzten Jahren stetig optimiert werden. Wie die Schulleiterin erläutert, wird die Dachfläche als beliebte Alternative zum Pausenhof oder für After-Work-Treffen genutzt. In der Mittagspause oder nach Schulschluss können sich Schüler:innen und Lehrer:innen sowie Teilnehmende der Weiterbildungen im dacheigenen Café bei regionaler Biokost besprechen.“
Zwei Narrative und ergänzende Illustrationen finden Sie im Impulspapier des IÖW.
2. Zukunftsbildvarianten
Entwickeln Sie verschiedene Varianten für eine klimaangepasste Gestaltung Ihres Quartiers,
die sich mit Blick auf Hauptverantwortliche, Maßnahmen, Schwerpunkte und Ausmaß der Veränderung unterscheiden.
Verschiedene Zukunftsoptionen aufzeigen
Entwerfen Sie verschiedene Zukunftsoptionen, die zu einer klimaangepassten Entwicklung im Quartier passen und gleichzeitig bewusst polarisieren, um die Diskussion anzuregen. Haben Sie dabei die Zielgruppe(n) des Prozesses im Blick und deren mögliche Sichtweisen. Diese werden den späteren Austausch bestimmen und sich im Ergebnis niederschlagen. Um eine ergebnisorientierte Diskussion zu ermöglichen, sollten die gewählten Varianten möglichst realitätsnah und umsetzbar sein.
Die folgenden Hinweise und Fragen bieten Ihnen Orientierung für die Entwicklung der Zukunftsbilder:
-
Welche Akteur:innen prägen die Varianten?
Die Gestaltung und Pflege von Stadtgrün können zentral in der öffentlichen Hand oder beim Wohnungsunternehmen liegen. Sie können aber auch partizipativ ausgerichtet sein und lokale Unternehmen, bürgerschaftliche Initiativen oder Anwohner:innen einbeziehen. Welche unterschiedlichen Zukünfte dadurch entstehen, sollten die Zukunftsbilder erfahrbar machen. -
Welche Maßnahmen sind in Ihren Varianten jeweils vorherrschend?
Abhängig von den handelnden Akteur:innen werden bestimmte Maßnahmen als wesentliche Elemente der Zukunftsbilder sichtbar sein: Auf der einen Seite öffentliches Grün mit Bäumen, Parks und entlang von Kaltluftschneisen, auf der anderen Seite privates Grün – denkbar auf Dächern, an Fassaden und in Innenhöfen oder in Form von Gemeinschaftsgärten. -
Wodurch ist der Wandel in den einzelnen Varianten gekennzeichnet?
Die Ausgestaltung der Zukunftsbilder kann durch verschiedene Formen von Veränderungsprozessen geprägt sein. Dominieren z. B. technisch-wirtschaftliche Lösungen wie Photovoltaik-Gründächer und Wasserspeicher? Oder steht ein sozio-kultureller Wandel im Fokus, umgesetzt durch gemeinschaftlich geschaffene naturnahe Grünflächen mit Begegnungsorten?
Stellen Sie weitere Fragen, die Ihnen helfen, möglichst unterschiedliche Varianten von Zukunftsbildern zu entwickeln und dadurch mit den Beteiligten zur zukünftigen Gestaltung von grünen, klimaresilienten Quartieren in die Diskussion zu kommen, z. B.:
- Wie ist die Art der Bebauung im Quartier: kompakt mit wenig Freiräumen oder locker mit punktuellen Hochhäusern?
- Ist der Zugang zu den Flächen inklusiv oder exklusiv?
- Welche Steuerungsinstrumente sind vorherrschend: zentrale Planung oder großzügige Räume für Teilhabe?
Mehrere Zukunftsoptionen sind möglich
Es gibt nicht nur eine Zukunft: Abhängig von Entscheidungen und Handlungen tun sich viele unterschiedliche Optionen auf. Zukunftsbilder sollten daher verschiedene Varianten darstellen.
Abb. 4: Schaubild zur Entwicklung von Zukunftsvarianten.1
Gegensätzliche Zukunftsoptionen regen zur Diskussion an
Extensive Dachbegrünung im Bestand, kombiniert mit Energieerzeugung und exklusiven Rückzugsräumen (z. B. mit Sportgeräten für Mitarbeitende).
versus
Intensive Dachbegrünung im Bestand, mit Aktivitäten der sozialen Interaktion als inklusive Begegnungsorte für Anwohner:innen und Nachbarschaft.
Von Anwohner:innen gestaltetes Grün im Neubauquartier mit einzelnen Hochhäusern, versehen mit naturnahen Lösungen, weitestgehend frei zugänglich, zusätzlich zu Freiräumen.
versus
Getrimmtes Grün in öffentlicher Verantwortung im dicht bebauten Neubauquartier, gekoppelt mit professioneller Pflege, im Privaten für exklusive Nutzung, wenig Freiräume.
Abb. 5: Zukunftsbildvarianten zu Grün am Gebäude; oben: aus dem Gewerbegebiet Neumarkter Straße in München; unten: aus einem fiktiven Neubauquartier in München. Weitere Gegenüberstellungen entdecken Sie im Flickr-Album des Projekts Grüne Stadt der Zukunft.
Lösungsansätze für Zielkonflikte darstellen
Integrieren Sie in Ihre Zukunftsbilder bereits Lösungsansätze für bestehende Zielkonflikte, um einen Dialog darüber anzuregen. Hierfür können Sie z. B. multicodierte Räume mit verschiedenen Nutzungen abbilden, die Stadtgrün mit erneuerbaren Energien, alternativen Mobilitätsoptionen und sozialer Interaktion zusammendenken.
3. Austausch und Zusammenführung
Verständigen Sie sich in Workshops auf ein gemeinsames Zukunftsbild:
Halten Sie Übereinstimmungen, Kontroversen und Ergänzungen aus der Diskussion der Varianten fest.
Über einen Workshop die Beteiligten in den Austausch bringen
Stellen Sie in einem Workshop den Beteiligten die verschiedenen Zukunftsbildvarianten vor. Gehen Sie zuvor darauf ein, wie diese zustande gekommen sind. Versetzen Sie die Beteiligten gedanklich in das Zieljahr der Zukunftsbilder und begeben Sie sich anhand der erarbeiteten Narrative und/oder Illustrationen zusammen auf eine Reise durch das dargestellte grüne, klimaresiliente Quartier. Gehen Sie bei der Vorstellung bewusst auf die gewählten Unterschiede in den Varianten ein, um gut in die Diskussion zu starten.
Diskutieren Sie in Kleingruppen oder gemeinschaftlich:
- Wo gibt es Übereinstimmungen in der Sichtweise auf die Varianten, z. B. bezogen auf die handelnden Akteur:innen oder die dargestellten Begrünungsmaßnahmen?
- Wo gibt es Kontroversen, z. B. bezogen auf die Zugänglichkeit?
- Was fehlt den Beteiligten in den Darstellungen?
- Gibt es bestimmte Präferenzen für einzelne Varianten?
- Lassen sich Zielkonflikte und Lösungen in deren Umsetzung identifizieren?
Ein gemeinsames Zukunftsbild erarbeiten
Am Ende der Diskussionen sollten Sie versuchen, ein gemeinsam getragenes Zukunftsbild zu erstellen. Das kann sich stark an einer der vorgestellten Varianten orientieren und sich einzelner Elemente der anderen Varianten bedienen. Im Nachgang des Workshops kann das Ergebnis in Form eines finalen Narrativs und/oder einer Illustration den Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Auch sollten erste Zielkonflikte und Lösungen in der Umsetzung identifiziert werden, die es im Anschluss zu bearbeiten gilt.
Finales Zukunftsbild zu Grün und Mobilität im Gewerbegebiet Neumarkter Straße (München)
In einem Online-Workshop diskutierten Vertreter:innen aus Bezirkspolitik, Verwaltung und Planungspraxis sowie Projektier:innen, Investor:innen und Gewerbetreibende anhand von zwei Zukunftsbildvarianten über eine gemeinsame Vision für die Gestaltung von Grün und Mobilität im Gewerbegebiet Neumarkter Straße: Die Mehrheit sprach sich für breite Radwege sowie ÖPNV- und Sharing-Angebote aus, kombiniert mit öffentlichem und privatem Grün. Ehemalige Parkplätze beherbergen nun einen Mobility Hub sowie Parklets mit Hochbeeten und Sitzgelegenheiten. Auch die Gebäude sind begrünt und mit erneuerbaren Energieanlagen versehen. Ein Grafiker führte die Diskussion in einem finalen Zukunftsbild zusammen. Weitere finale Zukunftsbilder zu anderen Ausschnitten und Themen des Gewerbegebiets Neumarkter Straße finden Sie in dieser Zusammenführung.
Abb. 6: Illustration zur Darstellung von Grün und Mobilität im Gewerbegebiet Neumarkter Straße in München.
Zukunftsvision 2045 für ein grünes, klimaangepasstes Stralsund
Mit der Methode ‚Appreciative Inquiry‘ (Wertschätzendes Erkunden) haben in Stralsund verschiedene Akteur:innen der Stadtgesellschaft und der Verwaltung eine Zukunftsvision für eine klimaangepasste Kommune erarbeitet. Der Fokus lag auf positiven Erlebnissen und Beispielen, die erstrebenswert sind. Mit dem Prozess sollten die Menschen für notwendige Veränderungen sensibilisiert und mobilisiert werden. Am Ende lagen erste Vorschläge für Maßnahmen vor, die zur Umsetzung der Vision beitragen. Die erarbeitete Zukunftsvision fließt in die Fortschreibung des Integrierten Stadtentwicklungskonzepts aus dem Jahr 2015 ein.
Das Projekt „Stralsund im Klimawandel“ nutzte Zukunftsbilder, erstellt über ein ‚Graphic recording‘, um darauf aufbauend Klimaanpassungsmaßnahmen zu entwickeln.
4. Umsetzungsbeginn
Diskutieren Sie die Umsetzung des gemeinsamen Zukunftsbilds und werden Sie aktiv:
Was sind Zwischenziele? Welche Maßnahmen müssen frühzeitig geplant werden und welche lassen sich bereits jetzt leicht umsetzen?
Den Blick von der Zukunft in die Gegenwart richten
-
Was sind Zwischenziele, Meilensteine und Erfolgsfaktoren?
Stellen Sie sich vor, Sie sind im Zieljahr – das Zukunftsbild ist erreicht und Sie halten inne. Wie haben Sie das geschafft, was waren Zwischenziele, Meilensteine und Erfolgsfaktoren in der Zielerreichung? Wen konnten Sie als Mitstreiter:in gewinnen? Gab es politischen Rückenwind, Unterstützung aus der Bevölkerung? Bei diesem Schritt geht es auch darum herauszuarbeiten, wie identifizierte Zielkonflikte angegangen und Lösungen umgesetzt werden konnten. -
Welche ambitionierten Maßnahmen sollten Sie frühzeitig angehen?
Um Ihr gemeinsam erarbeitetes Zukunftsbild zu erreichen, haben Sie einige Herausforderungen zu meistern, vor allem in der Umsetzung von ambitionierten Maßnahmen. Besonders schwer zu realisieren ist z. B. häufig die Ausweisung von Baumstandorten in versiegelten Innenstadtquartieren. Grund sind die vielen unterirdischen Leitungen und Tiefgaragen. Nehmen Sie solche Maßnahmen möglichst zeitnah in den Blick und überlegen Sie gemeinsam, wie aktuelle Hemmnisse überwunden und die Maßnahmen mittel- bis langfristig erfolgreich umgesetzt werden können. -
Was sind erste, leicht umsetzbare Maßnahmen, mit denen Sie in Richtung der klimaangepassten Zukunft gehen können?
Sie wollen schnell ins Handeln kommen und dafür Mitstreiter:innen gewinnen? Gewisse Grünmaßnahmen oder vorbereitende Aktivitäten sind nicht schwierig in der Umsetzung und erfordern kein spezifisches Know-how. Oftmals gibt es dafür auch zahlreiche Anregungen und Hinweise im öffentlichen und privaten Raum.
Pflanzaktionen, Thementage und mehr
Mit welchen Formaten Sie Bürger:innen in die Gestaltung von Stadtgrün einbeziehen können, lesen Sie im Leitfaden „Engagement für Stadtgrün stärken“.
Backcasting-Methode: Wie haben wir das Ziel erreicht?
Abb. 8: Beim Backcasting wird nach der Verständigung auf ein Ziel (hier ein klimaangepasstes Quartier) der Blick aus der Zukunft zurück in die Gegenwart gerichtet. So lassen sich Zwischenziele und Handlungsoptionen formulieren – als Teil der Strategiebildung und Entscheidungsfindung für die Planung und Umsetzung einzelner Maßnahmen. Das Vorgehen hilft auch dabei, Zielkonflikte rechtzeitig aufzudecken und Lösungen zu erarbeiten.2
WBGU fordert Paradigmenwechsel in der Stadtplanung hin zu langfristigen, transformativen Maßnahmen
„Dabei ist weniger die Perspektive von heute in Richtung Zukunft wichtig, die bereits eingeschlagene Wege meist als unausweichlich erscheinen lässt. Vielmehr geht es um die Sicht aus einer erstrebenswerten Zukunft zurück auf die Gegenwart: Wie können heute Wege eingeschlagen und Sackgassen vermieden werden, um diese nachhaltige Zukunft zu ermöglichen?“ 3
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen: Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte.
Stück für Stück zum grünen, lebenswerten Innenhof (München)
In einer Workshopreihe verständigten sich Anwohner:innen und der Eigentümer eines Münchner Innenhofs auf ein gemeinsames erstrebenswertes Zukunftsbild (Abb. 9).
Darauf aufbauend identifizierten die Beteiligten mit Unterstützung des lokalen Begrünungsbüros sowohl leicht umsetzbare als auch ambitionierte Maßnahmen. Diese wurden in einem Backcastingprozess als Zwischenziele zur Erreichung des gemeinsamen Zukunftsbilds festgehalten (Abb. 10). Neben den dargestellten Maßnahmen wurde auch die Aktivierung der Nachbarschaft über Flyer sowie die produktive Begrünung des Garagendachs als weitere Zwischenziele der Innenhofgestaltung formuliert.
In der Diskussion ließen sich verschiedene Hemmnisse identifizieren, etwa die Finanzierung von Maßnahmen oder die geltende Stellplatzverordnung, aber auch Möglichkeiten zu deren Überwindung, wie die Bereitstellung finanzieller Beiträge durch beteiligte Akteur:innen oder Gespräche mit der Verwaltung. Im Sommer 2021 haben einzelne Anwohner:innen und der Eigentümer bereits eine niederschwellige Maßnahme umgesetzt: Sie installierten Hochbeete und Sitzgelegenheiten.
Abb. 10: Von der Zukunft in die Gegenwart: Backcasting zur Gestaltung des Innenhofs.
Das Hintergrundpapier Zukunftsbilder in der Bildung vom Verein Germanwatch zeigt verschiedene Methoden auf, um Zukunftsbilder in einer Gruppe zu entwickeln. Als Inspiration für solche Prozesse stellt die Broschüre ein Wimmelbild und Hinweise zu weiteren Projekten zur Verfügung.
Im Artikel Zukunftsbilder für grüne, klimaresiliente Quartiere zeigen Johannes Rupp und Henry Schmitz die verschiedenen Funktionen von Zukunftsbildern auf: Wissensbildung, Kommunikation, Zielbildung, Entscheidungsfindung und Strategiebildung. Ferner werden Erkenntnisse aus Reflexionsinterviews aus den Zukunftsprozessen im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ vorgestellt.
Mit der Frage „Wie leben wir 2040?“ haben sich Wissenschaftler:innen von Scientists for Future intensiv beschäftigt und Zukunftsbilder verfasst, wie verschiedene mögliche Zukünfte aussehen könnten. Sie tragen Titel wie „Graswurzel“, „Groß“, oder „Langsam“. Auf dieser Website finden Sie weitere Informationen dazu.
Das WBGU-Gutachten Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte thematisiert die Herausforderungen und Chancen sowie mögliche Lösungen für die Zukunft der Städte.
Sämtliche Materialien zur Arbeit mit Zukunftsbildern im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ wie Impulspapiere und Zusammenfassungen der Narrative sowie Illustrationen, Videos, Poster etc. finden Sie auf der IÖW-Projektseite.
- ifmo – Institut für Mobilitätsforschung (2005). Anlage zur Szenariostudie: Zukunft der Mobilität Szenarien für das Jahr 2025 – Vorgehensweise und Methoden (1. Aufl.), S. 5 ff. Kosow, H., Gaßner, R. (2008). Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien. IZT-WerkstattBericht Nr. 103. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), S. 11 ff.
- Kosow, H., Gaßner, R. (2008). Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien. IZT-WerkstattBericht Nr. 103. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), S. 60.
- WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2016). Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte. Zusammenfassung, S. 3.
Hintergrund
Im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ untersuchte das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) Gestaltungsoptionen für die Entwicklung grüner, klimaresilienter Quartiere. Dazu führte das Team drei Zukunftsbildprozesse in München durch – für ein fiktives Neubaugebiet, ein innerstädtisches Bestandsgebiet und ein innenstadtnahes Gewerbegebiet.
Impressum
Autor:innen:
Johannes Rupp
Jovanka Eberle
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH (IÖW)
Stand: Oktober 2023
Redaktion: Antonia Sladek, IÖW
Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de
Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen
Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“