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Leitfaden: Sanierungsgebiete klimaorientiert gestalten

Klimaanpassung durch städtebauliche Sanierungsverfahren nach §136 BauGB stärken

Ziel

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Teil des besonderen Städte­baurechts und bieten Kommunen ein wirksames Planungsinstrument, um Bestandsquartiere klimaresilient umzubauen und langfristig aufzuwerten. Der Leitfaden zeigt, wie Sie Klimaanpassung in die einzelnen Prozessschritte integrieren und mit welchen Instrumenten Sie hierbei die städtebauliche Entwicklung steuern sowie Maßnahmen umsetzen können.

  Nutzen Sie bereits alle Möglichkeiten, um in Ihrem Sanierungsgebiet die Klimaanpassung zu verbessern? Das können Sie mit einer kurzen Checkliste am Ende des Leitfadens (ab S. 11) überprüfen.

Für

Foto: Sanierungsgebiet Moosach. Airgonautics GbR / LHM

Sanierungsverfahren mit fehlender Klimaanpassung begründen Städtebauliche Sanierungsverfahren beheben städtebauliche Missstände und funktionale Schwächen. Seit der Novellierung des Baugesetzbuches 2012 können städtebauliche Missstände auch mit fehlender Klimaanpassung begründet werden. Zudem müssen Kommunen seitdem Klimabelange berücksichtigen – nicht zuletzt, um die Bedingungen der Städtebauförderung zu erfüllen.

Prozessschritte städtebaulicher Sanierungsverfahren

Das Sanierungsverfahren ist ein Planungsinstrument, das auf verschiedenen Maßstabsebenen verwendet wird, sich über einen langen Bearbeitungszeitraum erstreckt und sich an den Zielen der Städtebauförderung von Bund und Ländern orientieren muss. Städtebauliche Sanierungsverfahren eröffnen Kommunen zahlreiche Möglichkeiten, um die städtebauliche Entwicklung zu steuern und Maßnahmen durchzuführen. In dem komplexen Planungsprozess bieten sich viele Chancen, Klimaanpassungsmaßnahmen zu integrieren:
Grafik: Simone Linke et al. 2021

Abb. 1: Exemplarischer Prozessablauf eines Sanierungsverfahrens. 1

In sieben Schritten zur klimaorientierten städtebaulichen Sanierung

1. Grundlagenermittlung und Analyse

Klimabelange als zentrales Thema frühzeitig berücksichtigen

Klimatische Missstände identifizieren

 

Städtebauliche Sanierungs­maßnahmen sind realisierbar, wenn gemäß §136 BauGB ein städtebaulicher Missstand vorliegt. Größere Verwaltungen und Stadt­planungsämter identifizieren solche Missstände häufig interdisziplinär.

Insbesondere Missstände, die das Stadtklima betreffen, lassen sich nicht ohne die Expertise von Fach­stellen oder externen Expert:innen erfassen.

Problem: Kommunen haben nur bedingt Einfluss

Unzureichende Grünversorgung als Missstand im Sanierungsgebiet Moosach (München)

Als städtebaulicher Missstand mit Bezug auf klimatische Belange kann z. B. eine mangelhafte Grünversorgung formuliert werden, so etwa im Schwerpunktbereich „Grünes Netz“ des Sanierungsgebiets Moosach:

„Das Grüne Netz umfasst die öffentlichen Freiräume innerhalb und im direkten Umfeld des Untersuchungsgebietes. Das Gebiet ist mit öffentlichen Grün-, Sport- und Spielflächen erheblich unterversorgt. Die Ausstattung der öffentlichen Freiräume für die vielfältigen Erholungsbedürfnisse der Bevölkerung entspricht nicht mehr den aktuellen und zukünftigen Anforderungen insbesondere hinsichtlich Nachverdichtung und Klimaanpassung.“


Integriertes Stadtentwicklungskonzept Moosach
(S. 21)

Karte: LH München 2019; bearbeitet von MGS i. A. der LH München 2020

Abb. 2: Öffentliche Freiflächen des Untersuchungsgebiets Moosach.

2. Einleitungsbeschluss

Klimaorientierte Zielsetzungen in den Einleitungsbeschluss integrieren

Klimaanpassungsziele festschreiben

Der Beschluss zur Einleitung eines Sanierungsverfahrens bildet eine wichtige rechtliche Grundlage und den Auftakt zu den vorbereitenden Untersuchungen. Gleichzeitig ist dies der Zeitpunkt zur Ermittlung des Ausgangswertes der Maßnahmengebiete im Sanierungsgebiet, was für das Vorkaufsrecht besonders wichtig ist.
 

Berücksichtigen Sie klimatische Belange frühestmöglich im Verfahren:

Vorkaufsrecht ermöglichen

Wenn Sie eine vorbereitende Untersuchung beschließen, kann dies Spekulationen in der Baubranche und am Wohnungsmarkt auslösen. Um möglichst frühzeitig Vorhaben zu unterbinden, die den geplanten Sanierungszielen entgegenstehen, ist es empfehlenswert, eine Vorkaufsrechtssatzung gemäß § 25 BauGB zu prüfen und ggf. zu erlassen.

3. Vorbereitende Untersuchungen

Beauftragen Sie Planungsbüros, die Klimakompetenzen nachweisen können.
Ziehen Sie ergänzend zur vorbereitenden Untersuchung auch zusätzliche Gutachten und erste Maßnahmen in Betracht.

Klimaexpertise bei der Vergabe berücksichtigen

Nach der Bekanntmachung des Einleitungsbeschlusses wird fürdie vorbereitende Untersuchung (§§ 140 Nr.1 sowie 141 BauGB) und die Erstellung des Entwicklungskonzepts ein Planungsbüro beauftragt. Damit Klimabelange adäquat berücksichtigt werden, sollten Sie bei der Vergabe darauf achten, dass Auftragnehmende über ausreichend Erfahrung mit der Planung klimaresilienter Quartiere verfügt.

Nehmen Sie hierfür Klimaexpertise als zentralen Punkt in die Wertungskriterien auf. Mögliche Nachweise sind:

Umfangreiche Analyse der klimatischen Situation sicherstellen

Die vorbereitende Untersuchung analysiert die Bestandssituation im Untersuchungsgebiet und entwickelt Beurteilungsgrundlagen (Abb. 3). Beauftragen Sie ggf. zusätzliche Untersuchungen und Gutachten, die beim Abwägen von Zielkonflikten helfen (z. B. Durchlüftung vs. Schallschutz) und Hinweise zur konkreten Umsetzung liefern.

Darüber hinaus können Sie neben den vorbereitenden Untersuchungen Rahmen­planungen sowie Beteiligungsformate durchführen und konkrete Maßnahmen umsetzen – finanziert aus dem Verfügungsfonds mit Mitteln der Städtebauförderung.

Grafik: LHM / IÖW / Volker Haese 2023

Abb. 3: Inhalte der vorbereitenden Untersuchung

4. Vorbereitende Maßnahmen und Integriertes Stadtentwicklungskonzept

Klimaorientierte Sanierungsziele definieren, Maßnahmen entwickeln und Förderung sichern

Analysen, Planungen und Ziele im Entwicklungskonzept zusammenführen

Die Fachplanung wägt die Belange der vorbereitenden Untersuchungen ab und stellt die daraus abgeleitete Potenzial- und Defizitanalyse, städtebauliche und stadtklimatische Missstände sowie Leitbild, Sanierungsziele und Maßnahmen in einem Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) mit Bericht dar. Auch der Umgriff des Sanierungsgebiets wird hier aufgezeigt.

 

Folgendes sollten Sie dabei sicherstellen:

Beispiele für Integrierte Stadtentwicklungs­konzepte (ISEK)

Eine Arbeitshilfe für Kommunen sowie Beispiele etwa aus Halle (Saale) und Ludwigsburg finden Sie unter staedtebaufoerderung.info.

Ein ISEK fortschreiben

Das ISEK enthält Maßnahmen, die über die reine Städtebauförderung hinausgehen, und ist auf kontinuierliche Fortschreibung angelegt: Dadurch können neue Ziele definiert und auch eine weitere Förder­fähigkeit mit Städtebaufördermitteln erreicht werden. Hinweise für die Fortschreibung finden Sie ebenfalls in der Arbeitshilfe für Kommunen.

Grafik: © Junker + Kruse auf Grundlage der Stadt Baunatal
Abb. 4: Beispiel für ein Integriertes Handlungskonzept.

Erste Maßnahmen entwickeln und finanzieren

Bereits nach den vorbereitenden Untersuchungen
haben Sie die Möglichkeit, Maßnahmen zur Klimaanpassung zu entwickeln, auch auf Basis von
weiteren Fachgutachten.

Zu klimaorientierten Maßnahmen zählen etwa:

Förderung für Klimaanpassungsmaßnahmen

5. Sanierungssatzung und -vermerk

Rechtliche Verbindlichkeit klimaorientiert nutzen

Satzung verabschieden

Mit der Satzung eines Sanierungsgebiets wird die höchste Verbindlichkeit geschaffen, die im Planungsrecht möglich ist:

Bei Bedarf juristische Unterstützung nutzen

Vorkaufsrecht im Zusammenhang mit Klimaschutz und Klimaanpassung

6. Durchführung der Maßnahmen

Klimawirksame Maßnahmen gemeinsam mit Eigentümer:innen umsetzen

Weitere rechtliche Instrumente erwägen

Sie haben verschiedene Möglichkeiten, bei Bauvorhaben im Sanierungsgebiet Vorgaben zu treffen, um die Umsetzung klimaorientierter Maßnahmen zu stärken:

Mit Eigentümer:innen kooperieren

Häufig streben Kommunen anstelle von städte baulichen Geboten
Kooperationen mit den privaten Eigentümer:innen und Investor:innen
an, um klimaorientierte Maßnahmen umzusetzen.

Fördermittel an Sanierungsvereinbarung geknüpft (Wackersdorf)

Im Sanierungsgebiet „Ortsmitte“ fördert die Gemeinde Wackersdorf u. a. Maßnahmen zur Klimaanpassung. Der Förderschwerpunkt „Ortsgrün und Regenspeicher“ betrifft etwa Maßnahmen zum Regenwasserrückhalt oder zur Begrünung von Hofräumen. Um den Zuschuss von 30 Prozent der förderfähigen Kosten (maximal 15.000 €) zu erhalten, müssen Eigentümer:innen eine Sanierungsvereinbarung mit der Kommune abschließen.
Foto: A. Köppl 2013 (CC BY 3.0)

Genehmigungsvorbehalt in Sanierungsgebieten (§§ 144, 145 BauGB)

Der Genehmigungsvorbehalt soll die Durchführung der Sanierung absichern. Kommunen können eine Genehmigung bei Vorhaben (u. a. Abriss, Umbau, Neubau) im Zusammenhang mit dem Grundstück verweigern, wenn dadurch das Erreichen der städtebaulichen Sanierungsziele – also auch der darin enthaltenen Klimaanpassungsziele – (entscheidend) erschwert oder verhindert wird.

Eine sanierungsrechtliche Genehmigung kann auch unter Auflagen befristet erteilt oder an die Bedingung geknüpft werden, einen städtebaulichen Vertrag bzw. eine Sanierungsvereinbarung abzuschließen. Wird die sanierungsrecht­liche Genehmigung versagt, können betroffene Vorhaben und Maßnahmen im Sanierungsgebiet nicht umgesetzt werden.

7. Monitoring und Aufhebung der Sanierungssatzung

Umsetzung der öffentlichen und privaten Maßnahmen überprüfen

Einhaltung überwachen

Die Evaluierung und das Monitoring der Maßnahmen sind der letzte wichtige Schritt im Sanierungsverfahren. Gerade für die Ziele der Klimaanpassung kommt es darauf an, die tatsächliche Ausführung der Maßnahmen zu kontrollieren. Denn in den meisten Fällen handelt es sich um Maßnahmen, die Privatpersonen keinen wirtschaftlichen Ertrag bringen. Da das Monitoring zu den Bedingungen der Städtebauförderung gehört, ist es eine Pflichtaufgabe.

Sanierungssatzung aufheben

Die Sanierungssatzung ist aufzuheben, wenn die Sanierung durchgeführt ist oder sich als undurchführbar erweist.

Vor- und Nachteile städtebaulicher Sanierungsmaßnahmen

Vorteile:

Nachteile:

Förderung und Beratungsangebote

 

Checkliste: Klimaorientierte Stadtsanierung

Hier können Sie testen, wie gut Ihr laufendes städtebauliches Sanierungsverfahren bereits Maßnahmen zur Klimaanpassung integriert und welchen Spielraum es noch gibt.

Gesetzliche Grundlage ist das BauGB, zweites Kapitel, erster Teil.

Unter www.staedtebaufoerderung.info stellt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) die Programme der Städtebauförderung vor. Weitere Hinweise zur praktischen Umsetzung von Klimaschutz und Klimaanpassung in der kommunalen Planung finden Sie in diesem Leitfaden des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. (Ab S. 33 werden Sanierungsmaßnahmen behandelt.) NRW hat eine  Arbeitshilfe zu städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen veröffentlicht, die ab S. 84 Hinweise zur Klimaorientierung gibt.
  1. Linke, S. et al. (2021). Die Planung einer grünen Stadt der Zukunft. Handlungsmöglichkeiten und Instrumente, S. 41. https://www.lss.ls.tum.de/fileadmin/w00bds/lapl/Bilder/Projekte/GrueneStadt/Broschure_1.pdf

Hintergrund

Für das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ untersuchten das Referat für Stadtplanung und Bauordnung und das Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München gemeinsam mit der Technischen Universität München, welche Handlungsmöglichkeiten verschiedene formelle und informelle Planungsinstrumente für eine klimaorientierte Stadtplanung bieten.

Impressum

Autor:innen:

Eva-Maria Moseler
Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauord­nung

Simone Linke
Annabell Hoffmann
Technische Universität München

Stand: Oktober 2023

Redaktion: Antonia Sladek, IÖW

Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de

Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de

Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen

Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente  Quartiere in einer wachsenden Stadt“