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Leitfaden: Unternehmen für Stadtgrün-Maßnahmen gewinnen

Formate und Argumente, um Gewerbetreibende zu aktivieren

Ziel:

Mit diesem Leitfaden wählen Sie geeignete Formate, um Unternehmen für die Finanzierung, Gestaltung und Pflege von Stadtgrün zu motivieren. Sie lernen Praxisbeispiele kennen und identifizieren Bezugspunkte sowie Voraussetzungen, um eine passende Ansprache zu finden. So können Sie das Potenzial des lokalen Gewerbes für mehr Grün im Quartier heben.

Wie Sie auch Bürger:innen einbeziehen können, lesen Sie im Leitfaden „Engagement für Stadtgrün stärken“.

Für:

Foto: Bundesverband Gebäudegrün

Kreativ und zielgruppengerecht

„Viele Unternehmen besitzen oder nutzen große Flächen und Gebäude. Über ihre Belegschaft, Nachbar:innen und Beziehungen zu anderen Unternehmen sind sie eng mit ihrem Standort verbunden. Um sie für ein Engagement bei der Gestaltung von Stadtgrün zu aktivieren, sollten Kommunen und Planer:innen auf die jeweiligen Interessen und Fähigkeiten der Betriebe eingehen – etwa ob sie bereits Kontakt mit dem Thema Grün hatten. Auch mögliche Zielkonflikte wie bei der Nutzung von knappem Straßenraum müssen früh bedacht werden.“

Dr. Carla Young
Unternehmensforscherin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)

In vier Schritten Unternehmen einbinden

1. Ziel und Prozess der Aktivierung

Sie haben Unternehmen in Ihrem Quartier als relevante Akteursgruppe ausgemacht, um Stadtgrün auszubauen und zu verbessern?
Schärfen Sie Ihre Ziele und Zielgruppe ggf. noch einmal nach, um das Vorgehen planen zu können.

Fangen Sie bei null an?

Wenn Sie Ziel und Zielgruppen für die Aktivierung der Stadtgesellschaft noch nicht festgelegt haben, können Sie das Thema mit dem Leitfaden „Engagement für Stadtgrün stärken“ systematisch angehen.

Rahmen setzen

Legen Sie zunächst Ihre Ziele möglichst konkret fest, damit Sie die richtigen Informationen einholen können. Orientierung geben die folgenden Hinweise und Fragen. Beantworten Sie diese so ausführlich wie nötig und so konkret wie möglich.

Mit Wettbewerben das Thema Grün beim Handel platzieren (München)

Auszeichnungen für attraktive Innenstädte und „City-Offensiven“ können den Handel für das Thema Grün gewinnen. So gibt es etwa beim Wettbewerb „Mehr Grün für München“ eine eigene Kategorie für Gewerbeflächen.

Foto: © Elke Kressirer 2021

Abb. 1: Den 2. Preis bei „Mehr Grün für München“ erhielt 2021 die Gewerbefläche Prechtinger Straße 8–10.

2. Analyse der Unternehmenslandschaft

Vertiefen Sie Ihr Verständnis für die Unternehmen, die Sie aktivieren möchten:
Welche Beziehung haben die Unternehmen bisher zum Thema Stadtgrün? Welche Herausforderungen gibt es bei der Aktivierung?

Eckdaten sammeln

Legen Sie eine Liste der ansässigen Unternehmen an (z.B. mithilfe von Karten wie dem Wirtschaftsatlas Berlin) und recherchieren Sie mögliche Anknüpfungspunkte sowie Herausforderungen. In Branchenbüchern und auf Unternehmenswebseiten finden Sie wertvolle Hinweise, um Ihre Zielgruppe besser einschätzen zu können:

Motivation einschätzen

Unternehmen haben häufig noch wenige Berührungspunkte mit Stadtgrün. Gleichzeitig ist die Attraktivität ihres Standortes, aber auch eine lebenswerte Stadt insgesamt, für sie ein wichtiger Faktor. Prüfen Sie, welche lokalen Interessen und Bedarfe der Unternehmen Anknüpfungspunkte an grüne Infrastrukturen bieten: Was könnte sie dazu motivieren, für Stadtgrün aktiv werden?

Kein Bezugspunkt?

Unternehmen, die lokal wenig eingebettet sind und auch geschäftlich nichts mit Grün oder Sozialem zu tun haben, sprechen Sie am besten über das Thema unternehmerische Verantwortung an: Auch sie müssen mit dem Engagement anderer Unternehmen ein Stück weit mithalten.

Vorwissen ausloten

Verein „Green City e.V.“ unterstützt Unternehmen (München)

Green City berät Unternehmen in München etwa bei der Fassaden- und Dachbegrünung an Firmengebäuden und informiert zu Patenschaften für Grün im öffentlichen Raum.

Foto: Johannes Rupp / IÖW 2021

Abb. 2: Begrünte Fassade der wagnis eG in München.

Situation im Quartier analysieren

Falls Sie noch keine allgemeine Umfeldanalyse durchgeführt haben, können Sie ergänzend zu Ihrer Akteursanalyse das soziale Gefüge im Quartier allgemein betrachten. Dadurch arbeiten Sie weitere Ansatzpunkte, mögliche Allianzen und heikle Themen heraus, die bei der Aktivierung von Unternehmen helfen.

Umfeldanalyse: Welche Themen bewegen das Quartier?

Mit einer Umfeldanalyse verschaffen Sie sich einen Überblick über die Ausgangsbedingungen im Quartier.

3. Aktivierungsformate für Unternehmen

Verschaffen Sie sich einen Überblick über Formate, die für die Aktivierung von Unternehmen besonders geeignet sind:
Welche passen am besten zu Ihren Zielen und sind im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen machbar?

Mögliche Formate auswählen

Hier finden Sie einige Formate und Praxisbeispiele, mit denen Unternehmen für Stadtgrün-Maßnahmen aktiviert werden können – von kurzfristigen Aktionen bis hin zu strukturellen Maßnahmen:

Kurzfristig und niedrigschwellig:
Unternehmen informieren und in punktuelle Aktionen einbinden

Spenden

Viele Unternehmen unterstützen soziale oder nachhaltige Projekte in ihrer Nachbarschaft finanziell. Spenden erfordern kaum Vorkenntnisse oder Zeitressourcen und können meist von den Steuern abgesetzt werden.

Foto: Stadt Münster
Praxisbeispiel: Nach starken Sturmschäden in einer Münsteraner Allee 2014 finanzierten 20 Industrieunternehmen gemeinsam 25 Jungbäume. Mit der Aktion „Neue Linden für die Promenade“ knüpften sie an die Spendenkampagne „Münster bekennt Farbe“ an.

Raumintervention

Zeitlich befristete Aktionen sensibilisieren für ungenutzte Stadtgrün-Potenziale im (öffentlichen) Raum. Durch die Interventionen können Sie Multiplikator:innen gewinnen, um gemeinsam Entscheidungsträger:innen von Begrünungsmaßnahmen zu überzeugen.

Foto: © Green City e. V. 2013
Praxisbeispiel: Unternehmen in München können Baumpaten der Wanderbaumallee vom GreenCity e. V. werden. Mit diesen mobilen Bäumen werden wechselnde Straßen für einige Wochen zur Allee.

Firmenevent

Bei Fachvorträgen oder Ausflügen können Firmen ihren Mitarbeitenden neue Themen nahebringen, etwa das urbane Gärtnern oder die Bedeutung von Grün für das Stadtklima.

Foto: Andreas Goellner
Praxisbeispiel: Der Verein Green City in München bietet Firmenevents mit Vorträgen oder Teambuilding an, etwa Workshops zum Aufbau eines firmeneigenen Gemeinschaftsgartens.

Langfristig und umfangreich:
Dauerhaftes Engagement ermöglichen und würdigen

Kostenlose Erstberatung für Begrünungsmaßnahmen

Gewerbetreibende oder Hauseigentümer:innen erfahren in einer Erstberatung mehr über Handlungsspielräume für grüne Firmengelände, Fassaden sowie Dächer und werden motiviert.

Foto: dontworry (CC BY-SA 3.0)

Praxisbeispiel: Mehr Grün auf dem Firmengelände? Münchner Unternehmen können sich dazu beim Green City e. V. in der Erstberatung Begrünung informieren. Geklärt wird z. B., ob städtische Fördermittel infrage kommen. Neben der Beratung per Telefon, Mail oder vor Ort gibt es Informationsveranstaltungen und -materialien.

Planspiel

Durch ein Planspiel können die Teilnehmenden die Konsequenzen ihrer Handlungen innerhalb eines sicheren Umfelds erleben. Besonders geeignet sind Herausforderungen und Situationen, bei denen es unterschiedliche Interessen oder Konflikte gibt.

Foto: Hendrik Wolter (CC BY-SA 3.0)

Praxisbeispiel: Am Planspiel „Bremer Unternehmen im Klimawandel“ im Rahmen des Projekts BREsilient – Klimaresiliente Zukunftsstadt Bremen nahmen Vertreter:innen aus Bremer Unternehmen, der Bremer Verwaltung sowie aus Wissenschaft und Beratung teil und entwickelten gemeinsam Ideen für Anpassungsmaßnahmen in Unternehmen und Verwaltung.

Wettbewerbe und Preise

Projekte wie ein begrüntes Firmengebäude erfahren in Wettbewerben Wertschätzung und nehmen eine Vorbildfunktion für das Quartier ein.

Foto: MaibornWolff GmbH
Praxisbeispiel: Mit dem Wettbewerb „FirmenGarten“ wurden unter anderem in Berlin Unternehmen ausgezeichnet, die z. B. ihren Innenhof besonders grün gestalten. Dabei geht es auch um ein gesundes Arbeitsumfeld für die Mitarbeitenden.

Netzwerke und Plattformen

Unternehmen, Führungskräfte und Organisationen realisieren in Netzwerken und Plattformen Wissensvermittlung und Kooperation.

Foto: Wladyslaw Sojka (Copyleft)
Praxisbeispiel: Das ÖKOPROFIT-Netzwerk vermittelt Wissen zu Klimaschutz für Unternehmen. Das Thema Klimaanpassung und Grün kann in bestehende Netzwerke eingebracht werden oder durch neue Netzwerke vermittelt werden.

Immobilien- und Standortgemeinschaften

Die Kooperation von Gewerbetreibenden und Unternehmen in einer Immobilien- und Standortgemeinschaft (Business Improvement District) erlaubt eine gemeinsame Quartiersgestaltung.

Foto: Manfred Fiedeler / IGS Severinstraße
Praxisbeispiel: In der Standortgemeinschaft Severinstraße Köln haben Unternehmen ihr Gewerbegebiet auch mit Grün verschönert.

Aufwand und Ressourcen schätzen

Mehr zur Aufwandsschätzung im Leitfaden Engagement für Stadtgrün stärken.

4. Netzwerke und Dialog

Gehen Sie auf bestehende Netzwerke zu und ziehen Sie Dialogformate in Betracht.

Langfristig denken und auf bestehenden Formaten aufbauen

Um das Engagement von Unternehmen für Grün im Quartier zu stärken, sollten Sie Aktivitäten planen, die in bestehende lokale Kooperationsstrukturen wie Runde Tische oder Netzwerke integriert werden können. Mit solchen langfristig angelegten Kooperationsformaten können Sie die Unternehmen eines Quartiers untereinander in den Austausch bringen und so die Voraussetzung für gemeinschaftliche Begrünungsaktivitäten schaffen.

Business Improvement Districts (BID)

Das Konzept des BID (Immobilien- und Standortgemeinschaften) ist eine je nach Bundesland variierende rechtliche Rahmung. Sie ermöglicht es Hauseigentümer:innen und Gewerbetreibenden, gemeinsam in ein vorher definiertes Geschäftsviertel zur Aufwertung des Standorts zu investieren. Beim Industrie- und Handelskammertag oder bei der jeweiligen IHK können Sie sich informieren, welche BID-Initiativen es vor Ort gibt.

Unternehmensnetzwerk berät zu Begrünung (Remscheid)

Das Unternehmensnetzwerk Großhülsberg e.V. möchte die nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftsstandorts aktiv gestalten. Eine städtische Gewerbegebietsmanagerin ist direkte Kontaktstelle zwischen Unternehmen, Verwaltung und Öffentlichkeit. Beratungsangebote zur Gebäudebegrünung belegen, dass Stadtgrün eine bedeutende Rolle für den Standort spielt, der davon profitiert.

Foto: Stephanie Horn

Abb. 3: Die Stadt Remscheid unterstützte im Gewerbegebiet das Entstehen einer Grünfläche mit Blumen- und Liegewiesen und grünem Co-Working-Space.

Zukunftsbilder und Freiraumkonzepte für den Austausch nutzen

Zukunftsbilder und Freiraumkonzepte sind zwei Instrumente, die Sie dabei unterstützen können, Bedarfe zu ermitteln und passende Maßnahmen für die Umsetzung zu entwickeln.

Kreative Impulse für das Gewerbegebiet Neumarkter Straße (München)

Im Gewerbegebiet Neumarkter Straße gibt es noch viel Potenzial für eine bessere Grünversorgung. Das zeigt sich in ungünstigen bioklimatischen Bedingungen und fehlenden Grün- und Freiflächen. Da die Flächen im Quartier überwiegend in privatem Besitz sind, ist der direkte Handlungsspielraum der Stadt für Begrünungsmaßnahmen begrenzt. Hier kann die Arbeit mit Zukunftsbildern helfen, Maßnahmen ganzheitlich zu entwickeln und Unternehmen zum Mitmachen zu animieren.

Grafik: IÖW / V. Haese 2021

Abb. 4: Zukunftsbild für die Neumarkter Straße aus dem Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“.

Freiraumkonzept Gewerbegebiet Obersendling (München)

Das Gewerbegebiet Obersendling liegt innerhalb eines Mischgebiets. Um das Areal mit Freiräumen und Wegeverbindungen aufzuwerten, untersuchte die Stadt Möglichkeiten einer wohnräumlichen Nutzung. Mit dem Instrument des Freiraumkonzepts lassen sich die neuen Anforderungen an und die Auswirkungen auf den Freiraum in verschiedenen Varianten darstellen.

Foto: Wirtensohn / Wittmann / Hamza / Habibi.Works 2018 (CC-BY-SA-NC)

Abb. 5: Beim Obersendlinger Freiraumsommer 2018 wurde ein ehemaliger Großraumparkplatz geöffnet und als „Mitmachraum“ zwischengenutzt. Das Bild zeigt das von Franziska Wirtensohn und Michael Wittmann initiierte Projekt Habibi Dome der offenen, transkulturellen Werkstatt Habibi.Works in Kooperation mit dem MaximiliansForum München und dem „werkraum“ der Hans Sauer Stiftung.

Auf der Webseite gruen-statt-grau.wilabonn.de des Projekts „Grün statt Grau. Gewerbegebiete im Wandel“ gibt es zahlreiche Tipps für Kommunen und Unternehmen, um die nachhaltige Gestaltung von Gewerbegebieten im Bestand anzugehen.

Folgender Artikel informiert über das Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ und stellt Ziele, Methoden und Erfahrungen bezüglich Aktivierung und Beteiligung in der integrativen Stadtteilentwicklung vor: Bock, S.; Böhme, C.; Franke, T. (2016). Politikfelder. Aktivierung und Beteiligung in der integrativen Stadtteilentwicklung. Forschungsjournal Soziale Bewegungen, 20 (2), S. 64.

Interessierte können in diesem Text das Instrument der aktivierenden Befragung kennenlernen, das sich mit den Interessen und Ressourcen von Menschen in benachteiligten Quartieren beschäftigt und deren aktive Beteiligung stärken will: Richers, H.; Habermann, T. (2005). Aktivierende Befragung.

Dieser Leitfaden enthält praktische Anleitungen und Tipps, um Gemeinschaftsgärten zu fördern und dadurch soziale Interaktion, Partizipation, Nachhaltigkeit und Lebensqualität zu verbessern: Schmies, M.; Hunecke, M. (2016). Soziale Aktivierung zum gemeinschaftlichen Gärtnern – ein Leitfaden für die partizipative Förderung von Gemeinschaftsgärten in Städten und Quartieren.

Hintergrund

Für das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ analysierte das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung soziale und ökonomische Aspekte grüner Infrastrukturen. Im Fokus standen Strategien, um bürgerschaftliches und unternehmerisches Engagement für Stadtgrün zu stärken.

Impressum

Autor:innen:

Carla Young
Julia Krämer
Jonas Heilmann
Johannes Rupp
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH (IÖW)

Amelie Bauer
Sophie Duschinger
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians Universität (LMU)

Stand: Oktober 2023

Redaktion: Antonia Sladek, IÖW

Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de

Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de

Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen

Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente  Quartiere in einer wachsenden Stadt“