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Steckbrief: Quartiersgaragen und umgenutzte Stellflächen

Ruhender Verkehr in grünen, hitzeresilienten Quartieren

Ziel

Der Steckbrief zeigt, wie Sie ruhenden Verkehr so organisieren, dass mehr Freiräume für Klimaanpassung und Lebensqualität entstehen. Hierbei sind Quartiersgaragen vorteilhafter als Tiefgaragen. Wenn Sie eher klein anfangen wollen, finden Sie im Steckbrief auch Beispiele zur temporären oder dauerhaften Umnutzung von PKW-Stellflächen.

Für

Weitere Anregungen für Grün am Gebäude gibt es in den Steckbriefen zur bodengebundenen und wandgebundenen Fassadenbegrünung.

Fallbeispiel: Stellwerk60 – autofreies Neubauquartier in Köln Nippes

Abb. 1: Ein Fahr- und Parkverbot für Autos erhöht die
Aufenthaltsqualität im Quartier Stellwerk60.

Fotos: © Nachbarn60 e. V.

Abb. 2: Das Quartiersparkhaus bietet 80 Privatparkplätze,
30 Gästeparkplätze und zehn Carsharing-Stellplätze.

Quartiersgaragen bündeln den ruhenden Verkehr und schaffen Platz im Quartier, wie das Beispiel Stellwerk60 zeigt.1

Mehr Informationen: Nachbarn 60

„PKW-Stellplätze reduzieren? Das führt oft zu Kontroversen, schafft aber wertvollen Raum für soziale Begegnungen sowie Stadtgrün und ist damit wichtig für die Klimaanpassung. Aktionen wie Parklets oder urbane Gärten auf Parkplätzen sensibilisieren für alternative Nutzungen. Gleichzeitig bieten Quartiersgaragen eine gute Zwischenlösung auf dem Weg zu autoarmen Städten.“

Sandra Feder
Technische Universität München

Quartiersgaragen: Grüne und günstige Alternative zu Tiefgaragen

Beim Bau neuer Wohneinheiten müssen in der Regel Stellplätze nachgewiesen werden. In sehr dichten oder stark wachsenden Städten entscheiden sich Planer:innen aufgrund von Platzmangel häufig für Tiefgaragen. Um diese zu bauen oder zu sanieren, muss häufig Bestandsgrün entfernt werden. Besonders wenn dabei Großbäume verloren gehen, steigt die Hitzebelastung deutlich (Abb. 3). Neupflanzungen können diesen Verlust nur langfristig ausgleichen. Zudem bieten unterbaute Flächen keine geeigneten Wachstumsbedingungen für Bäume. Das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ verglich Nachverdichtungsmöglichkeiten für Zeilenbauten. Die größte Hitzebelastung entstand dabei nicht durch die zusätzliche Bebauung, sondern durch den Verlust des Baumbestands für den Tiefgaragenbau. Eine Beschränkung der Stellplätze auf vier statt acht Tiefgaragen entschärft die zusätzliche Hitzebelastung deutlich:

Veränderung der gefühlten Temperatur (PET) durch Nachverdichtung

Grafik: IÖW / V. Haese 2023 in Anlehnung an Erlwein/Pauleit 2021

Abb. 3: Mikrosimulation von verschiedenen Nachverdichtungsszenarien für einen Wohnblock an einem typischen heißen Sommertag (10–16 Uhr). Die Balken zeigen Erhöhungen der gefühlten Temperatur gegenüber dem Ausgangszustand. Dargestellt sind die Szenarien einer Aufstockung mit zwei verschiedenen Gebäudehöhen (15 m und 18 m) sowie einer unterschiedlichen Anzahl an Tiefgaragen, die maßgeblich durch den Stellplatzschlüssel gesteuert wird. Die Höhe der aufgestockten Gebäude wirkt sich nur wenig aus, etwa durch eine veränderte Luftzirkulation und einen erhöhten Schattenwurf. Letzterer führt sogar zu geringfügig niedrigeren Temperaturen bei der Aufstockung auf 18 m. Entscheidend für die Hitzebelastung ist hingegen der reduzierte Baumbestand durch neu gebaute Tiefgaragen.²

Quartiersgaragen …

Quartiersgarage Konditaget Lüders (Kopenhagen)

Ein Spielplatz in 24 m Höhe mit Blick über den Stadtteil Nordhavn:4
Nach dem Motto „Park ’n’ play“ wird hier Platz effektiv genutzt:

Fotos: © Rasmus Hjortshøj/Coast Studio for JAJA Architects

Abb. 4: Quartiersgarage Konditaget Lüders, Kopenhagen: Dachfläche (links) und Fassade mit Begrünung (rechts).

Quartiersgarage in Landau an der Isa Auf dem Garagendach befindet sich ein kleiner Park mit einem Garten und Spielgeräten: 5
Foto: Hendrik Fülle Fotografie

Abb. 5: Quartiersgarage im Auftrag der Stadt Landau/Isar.

Beispiele für Quartiersgaragen in Deutschland:

Nützliche Hinweise für erfolgreiches Planen und Umsetzen liefert die Quartiersgaragenstudie Berlin

PKW-Stellplätze umnutzen: Schritt für Schritt weg von der autogerechten hin zur menschengerechten Stadt

Durch eine Umnutzung werden bereits versiegelte Verkehrsflächen wieder für die gesamte Stadtgesellschaft und für die Klimaanpassung erschlossen. Dies kann verschiedene räumliche und zeitliche Dimensionen haben: Einzelne Wohnblöcke können wie in Barcelona oder Berlin dauerhaft zu verkehrsreduzierten Superblocks zusammengefasst werden. Ganze Straßen lassen sich in Fußgängerzonen oder Spielstraßen umwandeln, wie etwa die Münchner Sommerstraßen.

Einzelne Parkstreifen oder -plätze können dauerhaft oder für bestimmte Zeiträume zu Radwegen, Fahrradstellplätzen, Gemeinschaftsgärten, Parklets oder Freischankflächen umgenutzt werden. Wenn dabei Schatten und Ruhemöglichkeiten entstehen, bietet das vulnerablen Gruppen an Hitzetagen zusätzliche Aufenthaltsmöglichkeiten. Temporäre Umnutzungen sind meist kurzfristig und ohne viel Bürokratie umsetzbar.

Parkplätze und Straßen beleben

Der Verkehrsclub Deutschland stellt in einem Leitfaden zur Rückeroberung der Straße verschiedene Ideen vor – Aktionen wie den Parking-Day und Maßnahmen wie Fahrradbügel auf PKW-Stellplätzen.

Umdenken anstoßen: ein Parkplatz wird zur Piazza Zenetti (München)

Die Piazza Zenetti ist ein Beispiel für öffentlichen Raum, der zurückerobert wurde. Im Rahmen des Modellprojekts „City2Share“ wurde 2018 eine Parkfläche zweigeteilt: Auf der einen Hälfte entstand eine Mobilitätsstation mit Carsharing, Bikesharing und Ladesäulen für E-Autos, die andere Hälfte wurde temporär zu einem Platz mit Sitzgelegenheiten, Gemeinschaftsbeeten, einem Bücher-Tauschregal und weiteren interaktiven Elementen umgestaltet. Auch Events wie Sommerfeste oder kleine Ausstellungen finden dort mittlerweile statt. Der Platz wurde so gut in der Nachbarschaft angenommen, dass er nicht mehr wegzudenken ist. Anwohner:innen gründeten eine Initiative, die sich seitdem erfolgreich für den Erhalt der Piazza einsetzt.

Foto: © Green City e. V.

Abb. 6: Eröffnung der Piazza Zenetti.

„Der Platz jetzt ist ein echter Gewinn für das Viertel hier.“

Anwohnerin6

„Das Tolle an dem Platz ist, dass ich den letzten zwei Jahren, seitdem es den Platz gibt, mehr Leute kennengelernt habe, als in den zehn Jahren zuvor.“

Mitglied der Bürgerinitiative7

Weitere Beispiele für Umnutzungen entdecken Sie hier:

Foto: © Sabrina Erlwein 2022
Abb. 7: Umnutzung einer Parkfläche für Urban Gardening im Nürnberger Stadtteil St. Johannis. Das Projekt besteht seit Oktober 2021.
Foto: © Sandra Feder 2023

Abb. 9: Parklet mit Bücher-Tauschregal, München.

Foto: © Sandra Feder 2023
Abb. 8: An der TU in München gibt es Parkplätze, die im Tagesverlauf verschieden genutzt werden: tagsüber für Fahrräder von Studierenden, nachts für Autos von Anwohner:innen. Das Konzept heißt „ParkenDual“.

Gut zu wissen – Fortschritte bei Stellplatzschlüsseln

Der Stellplatzschlüssel, der je nach Bundesland anders geregelt ist, legt fest, wie viele Parkplätze bei Bauvorhaben geschaffen werden müssen – in der Regel ein Stellplatz je Wohneinheit. In dichten, gut angebundenen Quartieren ist dies oft gar nicht nötig, eine bedarfsgerechte Zahl wäre angemessener, würde mehr Platz für den Wohnungsbau zulassen und erheblich Kosten einsparen. Einige Bundesländer und Kommunen lassen daher mittlerweile Alternativen zu:

30–50 Prozent der Haushalte in Kernstädten haben keinen eigenen PKW.8 Der Bau einer Tiefgarage macht im Schnitt fast 10 Prozent der Gesamtbaukosten aus und lässt so Wohnungspreise in die Höhe steigen.9

Förderung und Beratungsangebot

Die Plattform autofrei/autoarm Wohnen bietet Beratung für Investor:innen, Wohnungsbauunternehmen und Planer:innen an.

Die Website sdg21 unterhält eine Datenbank zu nachhaltigen Siedlungen und Quartieren und möchte so Wissen und Erfahrungen zur Planung und Realisierung von nachhaltigen Quartieren zur Verfügung stellen.

In der Datenbank des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz können Sie gezielt nach geeigneten Förderprogrammen für Ihr Projekt suchen. Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen fördern neue Mobilitätsformen wie Quartiersgaragen. Außerdem gibt es viele Büros, die sich auf Mobilität spezialisiert haben und Sie diesbezüglich beraten können.

Lokale Vereine, die sich für lebenswerte und nachhaltige Städte einsetzen, bieten oft Beratungsangebote für Umnutzungen an, so unterstützt zum Beispiel Green City e. V. beratend beim Errichten eines Parklets.

In einigen Städten können Sie Förderungen zu Projekten im Quartier, wie Parklets, beantragen. Wie etwa bei der Stadt München über das Stadtbezirksbudget oder in Berlin über folgende Website.

Manche Städte bieten konkrete Anleitungen zum Errichten und zur Förderung eines Parklets in der eigenen Nachbarschaft an, wie etwa dieser Leitfaden der Stadt Nürnberg.

Zu kontrovers?

Bemühungen zur Verkehrswende treffen oft auf harsche Kritik. Bevor PKW-Plätze reduziert oder auf eine Quartiersgarage ausgelagert werden, ist es daher hilfreich, über Bedarfe zu sprechen und Lösungen anzubieten.

So kann etwa ein barrierefreier Fahrdienst, wie z. B. Muva in Berlin, Personen mit Mobilitätseinschränkungen unterstützen. Auch Anlieferzonen für den Wirtschaftsverkehr und Sharing-Angebote können die Akzeptanz fördern. Beide Themen finden sich z. B. auch in der partizipativ entwickelten Mobilitätsstrategie 2035 für München.

Auf Quartiersebene können Sie über Zukunftsbilder in einen konstruktiven Dialog kommen. Empfehlungen dazu bietet unser Leitfaden Zukunftsbilder.

Grafik: IÖW / V. Haese 2021
Abb. 10: Zukunftsbild zur Gestaltung von Mobilität und Stadtgrün für ein fiktives Neubauquartier in München.

Umweltbundesamt (2022): Dreifache Innenentwicklung. Das Hintergrundpapier zeigt die Verknüpfungen zwischen Siedlungs-, Verkehrs- und Freiraumplanung für lebenswerte und resiliente Städte auf.

Umweltbundesamt (2017): Die Stadt für Morgen: Umweltschonend mobil – lärmarm – grün – kompakt – durchmischt. Die Fachbroschüre legt dar, wie ein Umfeld mit weniger Autos und weniger Belastung für Gesundheit und Klima geschaffen werden kann.

Umweltbundesamt (2022): Umverteilung öffentlicher Räume. Kurzstudie im Rahmen des Projekts „Nachhaltige Mobilitätswende“ (NaMoW). Die Kurzstudie beleuchtet Aspekte, Straßenraum als öffentlichen Raum neu zu denken und stellt Ansätze für eine innovative Gestaltung sowohl in Neubauprojekten als auch im Bestand vor.

Heinrich-Böll-Stiftung (2020): Praxis kommunale Verkehrswende. Ein Leitfaden. Der Leitfaden stellt Beispiele zur Verkehrswende in Deutschland vor und geht dabei auch auf formelle bzw. politische Grenzen ein.

Umweltbundesamt (2020): Quartiersmobilität gestalten. Verkehrsbelastungen reduzieren und Flächen gewinnen. Der Leitfaden verknüpft Instrumente der Verkehrsberuhigung mit Praxiserfahrungen kommunaler Straßenraumgestaltungen und benennt dabei Beispiele sowie Umsetzungsempfehlungen.

  1. Die Daten für diese Auflistung stammen von: Nachbarn60 (aufgerufen am 06.06.2023). Video Virtuelle Führung. Nachbarn60 e. V. www.nachbarn60.de/virtuelle-fuehrung.html Stellwerk60 (aufgerufen am 06.06.2023). Website von BPD, Bouwfonds Immobilienentwicklung. www.bpd-immobilienentwicklung.de/unsere-arbeit/niederlassung-koeln/stellwerk-60/
    Friedrich, M. (2009). Neue Mobilität auf alter Bahnfläche – die autofreie Siedlung „Stellwerk60“ in Köln-Nippes. Diplomarbeit. Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn.
    Staude, J. (04.11.2019). Der Abriss der Tiefgarage. Wie Wohnen Mobilität bestimmt. Blogartikel auf Klimareporter.de. www.klimareporter.de/verkehr/das-ende-der-tiefgarage
  2. Erlwein, S.; & Pauleit, S. (2021). Trade-offs between urban green space and densification: Balancing outdoor thermal comfort, mobility, and housing demand. Urban Planning, 6(1), S. 5–19.
  3. Ein Tiefgaragenstellplatz kostet im Wohnungsbau im Bundesdurchschnitt ca. 18.200 €. In Metropolen wie Berlin / München werden Kosten von durchschnittlich bis zu 26.300 € fällig. Das Errichten eines Stellplatzes in einem oberirdischen Parkhaus kostet je nach Bauweise 7.000–19.000 €. Quelle: BBSR – Bundesinstitut für Bau, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (2015). Untersuchung von Stellplatzsatzungen und Empfehlungen für Kostensenkungen unter Beachtung moderner Mobilitätskonzepte, Bearb.: LK Argus. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/2NachhaltigesBauenBauqualitaet/2015/stellplatzsatzungen/Endbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=1
  4. Christiansen, J., PR & Communications für jaja Architects (09.06.23). Auskunft per E-Mail.
  5. Wagner, J., Wagner Architekten (15.06.2023). Auskunft per E-Mail; sowie: BYAK (abgerufen am 20.06.2023). Dachlandschaft auf Quartiersgarage. www.byak.de/planen-und-bauen/projekt/dachlandschaft-auf-quartiersgarage-landau-ad-isar.html
  6. @sabine.frei.75 (08.09.2020). Instagram-Kommentar zum Video vom Green City e. V. [@greencityev] zum Zenettiplatz (08.09.2020). www.instagram.com/p/CE3ZSukiDyu/?igshid=NTc4MTIwNjQ2YQ%3D%3D
  7. Green City e. V. [@greencityev] (08.09.2020). Interview mit Frank Reinhard zum Zenettiplatz. Video auf Instagram.
    www.instagram.com/p/CE3ZSukiDyu/?igshid=NTc4MTIwNjQ2YQ%3D%3
  8. Bayrisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr (2022). Mobilitätskonzepte in neuen Wohnquartieren. Mobilität sichern, Flächen und Emissionen sparen, Wohnqualität schaffen. Endbericht. www.stmb.bayern.de/assets/stmi/buw/staedtebaufoerderung/220507_endbericht_mobilitaetskonzepte_in_neuen_wohnquartieren.pdf
  9. BBSR 2015 [siehe Endnote 3].

Hintergrund

Für das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ simulierten Mitarbeitende der Technischen Universität München (Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung sowie Lehrstuhl für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen) verschiedene Nachverdichtungsszenarien mit unterschiedlichen Stellplatzschlüsseln, um die Effekte auf urbanes Grün abschätzen zu können.

Impressum

Autor:innen:

Sabrina Erlwein
Sandra Feder
Technische Universität München, Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung

Sophie Duschinger 
Ludwig-Maximilian-Universität, Institut für Soziologie

Stand: Oktober 2023

Redaktion: Antonia Sladek, IÖW

Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de

Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de

Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen

Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente  Quartiere in einer wachsenden Stadt“