Steckbrief: Stadtgrün in der vorbereitenden Bauleitplanung stärken
Flächennutzungspläne mit integriertem Landschaftsplan
Ziel:
Der Flächennutzungsplan (FNP) legt die Bodennutzung nach der voraussichtlichen städtebaulichen Entwicklung fest. Der Steckbrief zeigt, wie Sie Klimaanpassung hierbei frühzeitig im gesamten Stadtgebiet stärken und eine übergeordnete klimaorientierte Stadtentwicklung fördern können. Nutzen Sie den FNP, um klimarelevante (Grün-)Flächen frühzeitig zu sichern und vor Bebauung zu schützen.
Für:
- Kommunale Verwaltung (v. a. Planungs- und Klimafachstellen)
- Freie Planer:innen (v. a. Landschaftsarchitektur und Architektur)
- Gemeinde- und Stadträt:innen
Fallbeispiel: Klimaanpassung im FNP Esslingen
Im Projekt KARS erarbeitete Esslingen für seinen FNP eine zusätzliche Ebene („Layer“) zur Anpassung an den Klimawandel – u. a. mit Freiflächen, die für den Hitze- und Hochwasserschutz erhalten werden sollen. Der Layer dient als Grundlage für weitere Planungen und als strategisches Vorsorgeinstrument.
Abb. 1: Beispielhafte Ansicht der interaktive Karte, in der Sie weitere Informationen einblenden können..
„Flächennutzungspläne sind das Bindeglied zwischen übergeordneten Zielsetzungen und detaillierten, bindenden Bebauungsplänen. Nutzen Sie den FNP, um klimarelevante (Grün-)Flächen frühzeitig zu sichern und vor Bebauung zu schützen.“
Dr. Simone Linke
Technische Universität München
Zusammenspiel von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen
Als Entwicklungskonzept für das gesamte Gemeinde- oder Stadtgebiet setzt der FNP die städtebaulichen Planungs- und Entwicklungsziele fest und ist Grundlage für die nachfolgenden Bebauungspläne.
Nutzen Sie den FNP, um frühzeitig klimatische Ziele für künftige Stadtentwicklungsprojekte zu verankern. Dies gilt besonders für Aspekte der Klimaanpassung, die nicht nur die Quartiersebene, sondern das gesamte Stadtgebiet betreffen, wie z. B. die Durchlüftung. Ein klimaorientierter FNP unterstützt Sie außerdem bei der Aufstellung klimaorientierter Bebauungspläne, da diese entlang der Ziele des FNPs entwickelt werden (§ 8 Abs. 2 BauGB).
Mehr zum Verfahren
Der FNP ist eng mit dem Bebauungsplan verknüpft und das Aufstellungsverfahren nahezu identisch. Eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens finden Sie im Leitfaden „Mehr Grün durch verbindliche Bauleitplanung“.
Unverbindlich?
Der FNP ist im Vergleich zum Bebauungsplan nicht verbindlich, sondern lediglich vorbereitend und damit für private Bauherr:innen und Eigentümer:innen nicht rechtswirksam.
Ohne eine anschließende verbindliche Bauleitplanung haben die Festlegungen des FNPs keine Auswirkungen auf das Baurecht. Die Aufstellung oder Anpassung eines FNPs endet ohne Satzungsbeschluss und kann demnach weder Baurecht schaffen noch mindern.
Darüber hinaus werden in Städten mit einer schnellen und dynamischen Entwicklung häufig Parallelverfahren (§ 8 Abs. 3 BauGB) und vorzeitige Bebauungspläne (§ 8 Abs. 4 BauGB) realisiert, wodurch sich der Charakter und die Verbindlichkeit des FNPs umgehen lassen und ein klimaorientierter Flächennutzungsplan an Bedeutung verlieren kann.
Rechtliche Hebel für die Klimaanpassung im FNP
Ein FNP besteht aus drei Elementen: einer Planzeichnung, einer textlichen Begründung und einem Umweltbericht. Achten Sie darauf, Klimaorientierung in allen Elementen gleichwertig zu berücksichtigen und nutzen Sie die Handlungsmöglichkeiten des BauGB, u. a.:
Auch die durch § 5 Abs. 2 BauGB vorgegebenen Inhalte des FNPs umfassen Themen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung:
- Für die Bebauung vorgesehene Flächen
- Ausstattung des Gemeindegebiets mit Anlagen, Einrichtungen und sonstigen Anlagen, die dem Klimawandel entgegenwirken sowie mit Anlagen, Einrichtungen und sonstigen Maßnahmen, die der Anpassung an den Klimawandel dienen
- Flächen für Nutzungsbeschränkungen oder für Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
- Wasserflächen sowie Flächen, die im Interesse des Hochwasserschutzes und der Regelung des Wasserabflusses freizuhalten sind
- Landwirtschaftliche Flächen und Wald
- Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft
Umsetzung in der Planung
Nutzen Sie den FNP, um die Strukturierung der Siedlungsbereiche und die Siedlungsdichte klimaorientiert zu gestalten:
- Berücksichtigen Sie klimatisch sensible Bereiche, z. B. Kaltluftentstehungsgebiete, Luftleitbahnen und gesamtstädtische Durchlüftungskorridore. Halten Sie diese Flächen möglichst von Bebauung frei. Greifen Sie hierfür auf Stadtklimaanalysen, Gutachten oder frei verfügbare Daten zurück, die Sie etwa auf der Seite des Climate Service Center Germany finden. Teilweise stellen auch die Länder kostenlose Daten bereit, wie z. B. die Hochwassergefahrenkarten des Bayerischen Landesamts für Umwelt.
- Auch die Dichte der Bebauung kann einen erheblichen Einfluss auf die Durchlüftungssituation des Quartiers haben. Können Sie Luftleitbahnen und Durchlüftungskorridore nicht von Bebauung freihalten, sollten Sie die Dichte in den betroffenen Bereichen reduzieren.
- Achten Sie darauf, Grünflächen, unbebaute, nicht unterbaute sowie unversiegelte Flächen in ausreichender Größe zu integrieren, um Baumstandorte mit Bodenanschluss zu schaffen und ein naturnahes Regenwassermanagement zu unterstützen.
- Nutzen Sie Flächen in Gewässernähe, die im Interesse des Hochwasserschutzes freizuhalten sind, um das Regenwassermanagement und die Starkregenvorsorge zu stärken und die Versiegelung zu minimieren.
Mehr dazu im Steckbrief „Fachgutachten in der Bauleitplanung“.
Flächennutzungsplan Aachen*2030
Die Stadt Aachen hat einen gesamtstädtischen Masterplan erarbeitet und darauf aufbauend den FNP von 1980 neu aufgestellt. Aachen*2030 rückt umweltbezogene Zielvorstellungen, wie den Freiraum-, Klima- und Bodenschutz, stärker in den Fokus. Aspekte des Klimas finden sich sowohl in der stadtweiten Übersicht als auch in einem vertiefenden Kapitel der erläuternden Broschüre.
Abb. 2: Die stadtweite Übersicht des FNPs Aachen*2030 stellt Belüftungsbahnen und Schutzbereiche für das Stadtklima dar. Diese Schutzbereiche sollen von Bebauung freigehalten werden.
Baunutzungsverordnung für klimatische Belange nutzen
Nicht nur durch das BauGB können klimatische Belange im FNP gefördert werden, auch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) kann Sie bei der Aufstellung eines klimaorientierten FNPs unterstützen.
- Berücksichtigen Sie die Arten der baulichen Nutzung (§ 17 BauNVO, Geschossflächen und Grundflächenzahl), um ein angemessenes Mikroklima durch ausreichende Vegetation, Großbaumstandorte und entsiegelte Flächen sicherzustellen.
- In § 1 Abs. 1 und 2 sowie im Anhang der Planzeichenverordnung (PlanZV) werden die Darstellungsformen der allgemeinen und besonderen Art der baulichen Nutzung (Bauflächen) aufgelistet. Da die Auflistung nicht abschließend ist, können Sie diese erweitern, verändern und somit auch klimatische Belange integrieren. Voraussetzung ist die Realisierbarkeit der Planzeichen in der verbindlichen Bauleitplanung gemäß § 9 BauGB.
Abb. 3: Beispiele für Planzeichen im FNP aus den Städten Bremen und München.
Zu beachten
- Flächenrecycling: Berücksichtigen Sie die Wiedernutzung oder Umnutzung von Flächen und Gebäuden, um klimaaktive Grün- und Freiflächen zu erhalten.
- Grünes Netz / grüne Infrastruktur: Schützen Sie nicht nur einzelne Flächen, sondern legen Sie den Schwerpunkt auf die Grünraumvernetzung.
- Grünflächen sichern: Sichern Sie übergeordnete Grünzüge und Grünflächen rechtlich. Hinweis: Meist erfolgt die Umwidmung von Grün- in Bauland. Da die Umwidmung von Bauland in Grünflächen mit Widerstand verbunden ist, sollten Sie Flächen in ausreichender Größe als Grünland im FNP festsetzen.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Achten Sie auf eine fachgebietsübergreifende Zusammenarbeit mit allen relevanten Fachstellen der kommunalen Verwaltung, insbesondere die Bereiche rund um Klimaschutz und -anpassung.
Schritt für Schritt: Integration von Klimaanpassung in den FNP
Der Planungsprozess des FNPs ist nahezu identisch mit dem Verfahren eines Bebauungsplans (siehe Leitfaden). Nachfolgend werden die wichtigsten Prozessschritte zur Integration von Klimaanpassungsmaßnahmen dargestellt:
1. Grundlagenermittlung
- Beachten und integrieren Sie übergeordnete Zielstellungen aus Leitlinien und Konzepten auf Bundes- und Länderebene.
- Beachten Sie auch übergeordnete Zielstellungen aus Leitlinien und Konzepten sowie Anforderungen Ihrer Kommune, z. B. Freiflächen- bzw. Grünflächenkennwerte.
Mehr dazu im Steckbrief „Leitlinien und Konzepte“.
- Berücksichtigen Sie für die Kommunen verbindliche Zielstellungen aus dem Regionalplan, z. B. regionale Grünzüge, und integrieren Sie diese in den Abwägungsprozess.
- Achten Sie auf die Feststellung klimarelevanter Räume durch eine Stadtklimaanalyse und gleichen Sie den FNP abschließend mit dieser Analyse ab.
- Beziehen Sie (Klima-)Fachstellen ein und bündeln Sie die Stellungnahmen.
- Achten Sie auf die Verwendung von Grundlagenwerken, z. B. Klimafunktionskarten oder Klimarisikoanalysen.
- Beauftragen Sie ggf. weitere klimatische oder hydrologische Fachgutachten.
2. Aufstellungsbeschluss
- Berücksichtigen Sie Klimaschutz und Klimaanpassung in der Beschreibung der allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung.
- Formulieren Sie konkrete Ziele zu klimatischen Belangen und integrieren Sie Klimaanpassungsmaßnahmen in den Beschluss.
3. Planentwurf, Begründung und Umweltprüfung
- Beauftragen Sie Planungsbüros mit stadtklimatischen Kompetenzen. Die Fachkompetenz können Sie z. B. über ein Projektportfolio oder die Teilnahme an Seminaren/Fortbildungen nachweisen lassen.
- Integrieren Sie die zuvor definierten klimaorientierten Ziele in den Planentwurf und in die Begründung der Umweltprüfung.
- Nehmen Sie notwendige Maßnahmen für Klimaschutz und Klimaanpassung in den Begründungstext auf.
- Vergeben Sie klimatische Fachgutachten im Zuge der Umweltprüfung, um Aussagen über klimatisch wichtige Flächen zu erhalten und um diese entsprechend bei der Erstellung des FNPs berücksichtigen zu können.
- Achten Sie auf die Festlegung klimaaktiver Flächen durch geeignete Planzeichen, z. B. als allgemeine Grünfläche oder ökologische Vorrangfläche.
- Nutzen Sie klimaorientierte Darstellungsmöglichkeiten nach § 5 Abs. 2 BauGB. Da der Katalog nicht abschließend ist, können Sie weitere Darstellungen aufnehmen.
4. Öffentliche Auslegung und Beteiligung von Behörde (§ 4 Abs. 2 BauGB)
- Beteiligen Sie die entsprechenden Fachstellen, um die ausreichende Integration klimaorientierter Maßnahmen zu überprüfen.
- Nutzen Sie behördliche Stellungnahmen, um ggf. Anpassungen des Planentwurfs vorzunehmen.
5. Beschluss, Genehmigung und Bekanntmachung
Mit dem Beschluss durch den Stadtrat, der Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde und der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans bzw. eines Teilbereichs davon ist der Prozess abgeschlossen.
Sprechen Sie bei der öffentlichen Kommunikation des FNPs gern Aspekte der Klimaanpassung gezielt an, um dafür zu sensibilisieren.
Vor- und Nachteile des Bebauungsplans:
- Der FNP ermöglicht es, klimatische Belange frühzeitig in die Stadtentwicklung zu integrieren und so die Weichen für eine klimaorientierte verbindliche Bauleitplanung zu stellen.
- Er kann dabei unterstützen, klimatisch wichtige und sensible Flächen von Bebauung und Versiegelung freizuhalten, um deren Funktionen langfristig zu sichern.
- Der FNP ist nicht verbindlich, sondern lediglich vorbereitend und hat daher keine Rechtsverbindlichkeit für private Bauherr:innen und Eigentümer:innen.
Fortbildungs- und Beratungsangebote
Fortbildungsangebote finden Sie bei der Architektenkammer oder beim Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen.
Auch andere Institutionen wie das Zentrum KlimaAnpassung, Institut für Städtebau und Wohnungswesen oder die Landeskammern der Berufsverbände bieten regelmäßige Fortbildungs- und Beratungsangebote zum Thema Klimaanpassung in der Bauleitplanung an.
Das Projekt ESKAPE hat eine Checkliste für eine klimaangepasste Bauleitplanung erarbeitet.
Die Stadt Wiesbaden hat 2019 die Aufstellung eines neuen FNPs beschlossen. Grundlage ist u. a. eine Stadtklimaanalyse. Darüber hinaus werden Klimaschutz und Klimaanpassung detailliert behandelt.
Das Landesbüro der Naturschutzverbände NRW gibt hilfreiche Tipps für die Integration klimatischer Belange bei der Aufstellung eines FNPs.
Das Umweltbundesamt stellt weiterführende Informationen zur Verfügung und hat zudem einen Leitfaden zur Klimaanpassung in der räumlichen Planung veröffentlicht.
Hintergrund
Für das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ untersuchten das Referat für Stadtplanung und Bauordnung und das Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München gemeinsam mit der Technischen Universität München, welche Handlungsmöglichkeiten verschiedene formelle und informelle Planungsinstrumente für eine klimaorientierte Stadtplanung bieten.
Impressum
Autor:innen:
Eva-Maria Moseler
Landeshauptstadt München, Planungsreferat
Simone Linke
Annabell Hoffmann
Technische Universität München
Stand: Oktober 2023
Redaktion: Antonia Sladek, IÖW
Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de
Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen
Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“