Steckbrief: Wandgebundene Fassadenbegrünung
Horizontale und vertikale Systeme für eine kühlende Pflanzenvielfalt
Ziel
Mit dem Steckbrief können Sie horizontale und vertikale Trägersysteme einer wandgebundenen Fassadenbegrünung vergleichen. Zuvor stellen wir zentrale Leistungen von Fassadengrün vor. Abschließend nennen wir Fördermöglichkeiten.
Für
- Kommunale Verwaltung (v. a. Planungs-, Umwelt-, Bau- und Klimafachstellen)
- Freie Planer:innen (v. a. Landschaftsarchitektur, Architektur, Stadtplanung)
- Eigentümer:innen, Bauherr:innen, Wohnungsunternehmen
Weitere Anregungen gibt es in den Steckbriefen zur bodengebundenen Fassadenbegrünung und zur Dachbegrünung. |
Fallbeispiel: Vertikaler Garten in Berlin-Kreuzberg
- 200 m² begrünte Fassade, Kosten ca. 700 €/m²
- Staudenpflanzung, verschiedene Gräser und Kräuter (z. B. Storchenschnabel, Bergenien, Purpurglöckchen)
- Mehrlagiges Vliestaschensystem, mit Substrat gefüllt; tragende Wand aus perlitverfülltem Poroton-Ziegelmauerwerk
- Automatische Bewässerung und Düngung über ein Irrigationssystem
- Pflege- und Instandhaltung: zweimal jährlich mit Hebebühne
- Ansprechpartnerin für Konzept und Architektur: Dr. Sarah Rivière, Berlin
„Wandgebundenes Fassadengrün ist eine Alternative für innerstädtische Bereiche, wo für Pflanzen kein Bodenanschluss möglich ist. Die Pflanzenauswahl sollte sich an der Besonnung der Fassade orientieren.“
Cornelia Leupold
Förderprogramme Begrünung, Landeshauptstadt München.
Vorteile auf einen Blick
- verbessert das Mikroklima durch Verdunstungskühlung, reduziert dadurch den städtischen Wärmeinseleffekt und erhöht die Aufenthaltsqualität,
- schützt Gebäude vor Temperaturextremen, UV-Strahlung, Wind- und Regeneinwirkung sowie Vandalismus (z. B. durch Graffiti),
- senkt den Kühl- und Heizenergiebedarf bei vollflächiger Begrünung, vor allem bei ungedämmten Fassaden,
- bindet CO2, filtert Feinstaub und Luftschadstoffe,
- fördert die Biodiversität durch die Erweiterung des Lebensraums für Flora und Fauna,
- steigert bei guter Planung und Pflege den Wert der Immobilie.
Angenehmes Wohnklima: Begrünte Fassaden bleiben deutlich kühler
Im Vergleich: Horizontale und vertikale Trägersysteme
Horizontale Trägersysteme:
Horizontale Trägersysteme zeichnen sich durch eine Regalbauweise aus. Die Rinnen oder Tröge werden mit Substrat gefüllt und übereinander angeordnet. Abhängig von der Pflanzenart können unterstützend Kletterhilfen angebracht werden.3
Abb. 2: Begrünung in Pflanzkästen v. a. mit Blauregen und Wildem Wein, Wien.
Abb. 3: Horizontales Rinnensystem mit Immergrüner Schleifenblume, Blaugräsern, Katzenminze, Federnelke, Gemeiner Schafgarbe und Thymian, Wien.
Abb. 4: Vertikales Vlies-Substrat-System auf vorgehängter, hinterlüfteter Fassade in Berlin. Begrünung u. a. mit Blaukissen, Riesensteinbrech, Storchschnabel, Christrose, Purpurglöckchen und diversen Gräsern.
Anregungen für Architekt:innen
Abb. 5: Pflanzgefäße mit horizontalen Trägersystemen (lineare Bauweise).
Abb. 6: Links: vertikales Trägersystem in Modulen; rechts: vertikale flächige Konstruktion mit Filztaschen.
Horizontale Trägersysteme
Vertikale Trägersysteme
Geeignete Pflanzenarten
Stauden (Gräser, Farne, Knollen- und Zwiebelpflanzen), Kleingehölze, ggf. Gerüstkletterpflanzen (Schlinger, Ranker, Spreizklimmer)
Stauden (Gräser, Farne), Kleingehölze, Moose, Geophyten
Verfügbare Pflanzenauswahl
groß
Bewässerung und Nährstoffeintrag
- kein Anschluss an Grund- und Niederschlagswasser, daher künstliche Bewässerung erforderlich (manuell oder automatisch gesteuert; gemäß FLL-Bewässerungsrichtlinie)5
- Frost im Winter beachten (frostsichere Systeme, ggf. Wasser ablassen)
- kontrollierte Ableitung des Überschusswassers durch Überläufe
- Nährstoffversorgung über Flüssigdünger in Kombination mit der Bewässerung oder über Feststoffdünger möglich
Technisch-bauliche Anforderungen
- bauaufsichtlich relevant, statischer Nachweis erforderlich, Brandschutzerfordernisse beachten
- tragende Bauteile: Korrosionsschutz oder rostfreies Material (keine Kombination aus Stahl und Edelstahl)
- Kletterhilfe an Bauwerkshülle passend zur Pflanzenauswahl und zum Fassadenmaterial
Substrat/Trägerstoffe
- kein Anschluss an Oberboden
- Wurzelung in Substrat-Systemen
mineralische, feuchtespeichernde Gemische (Lava, Bims), Substratersatzstoff (Sphagnum, Steinwolle) oder Geotextil
Bauweise
- Direktmontage antragender Wandkonstruktion
- einzeln oder linear angeordnete Pflanzbehälter auf Kragkonsolen
- Vorständerung an Konsolen oder auf Fundamenten (Sekundärkonstruktion)
Modulares System:
- Modulare senkrecht stehende Substratkästen (quadratisch bzw. rechteckig) mit einer Bautiefe von ca. 10–25 cm
- speziell Substrat tragende Rinnensysteme
Flächiges System:
- Sekundärkonstruktionen
- Textil-Systeme
- Textil-Substrat-Systeme
- Metallblech-System mit Wuchsöffnungen auf Textil bzw. Substratträger
- Direktbegrünung auf substrattragender Wandschale
Möglichkeiten der Wandkonstruktion
- massive, einschalige Konstruktionen (z. B. Ziegelmauer, Beton)
- Holzkonstruktionen vollflächig bekleidet oder ausgefacht*
- Metallkonstruktionen freistehend oder ausgefacht*
- vorgehängte hinterlüftete Fassade*
* Einzelfallprüfung erforderlich
- massive, einschalige Konstruktionen
- Holzkonstruktionen vollflächig bekleidet oder ausgefacht*
- Metallkonstruktionen freistehend oder ausgefacht
- vorgehängte hinterlüftete Fassade
* Einzelfallprüfung erforderlich
Investitionskosten*
Wandfläche
Horizontale Trägersysteme
Vertikale Trägersysteme
20 m²
300-500 €/m²
250-1.000 €/m²
50 m²
200-310 €/m²
600-800 €/m²
100 m²
190-230 €/m²
500-700 €/m²
250 m²
190-210 €/m²
450-700 €/m²
Pflegeaufwand
- mittel bis hoch (in Abhängigkeit von Pflanzenauswahl und Standortbedingungen)
- zum Teil Ersatz eingegangener Pflanzen nötig
- zwei bis drei Pflegegänge pro Jahr
Kosten für Wartung, Inspektion und Instandsetzung
gemäß DIN 31051
Abhängig von der Häufigkeit der Pflegeintervalle, der Zugänglichkeit der Fassadenbegrünung und von der Gestaltung sowie Größe der begrünten Fläche können die jährlichen Pflegekosten einer Bepflanzung stark variieren (ca. 20–100 €).
Öffentliche Fördermaßnahmen
Es gibt zahlreiche kommunale und regionale Förderprogramme, die Anreize zur Fassadenbegrünung geben. Je nach Stadt unterscheiden sich die Förderbedingungen sowie die Höhe des Zuschusses. Die Genehmigungsbehörde kontrolliert, ob die geplante Begrünung förderfähig ist und prüft, ob sie korrekt angebracht und gepflegt wird.
Beispiele für Förderprogramme:
- Stadt Oldenburg: „Förderprogramm Fassadenbegrünung“ für die Herstellung von Fassadenbegrünungen
- Land Berlin: Förderprogramm „GründachPLUS“
- Land Hamburg: Förderprogramm „An die Wände – fertig – grün!“
- Eine Übersicht zu weiteren kommunalen Förderprogrammen gibt es auf www.gebaeudegruen.info
Beratungsangebote
Beratungsangebote zur Fassadenbegrünung können Sie direkt über die Städte und Kommunen erfragen oder sich bei ausgewählten Verbänden beraten lassen. Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) bietet beispielsweise neben Broschüren auch eine Vielzahl von Dienst- und Serviceleistungen zum Thema Fassadenbegrünung speziell für Städte an, um diese zu unterstützen. Zu empfehlen ist, dass Sie nach einer ersten Beratung ein Angebot bei den BuGG-Mitgliedsfirmen einholen. Für das Münchner Stadtgebiet bietet beispielsweise das Begrünungsbüro Green City e. V. kostenfreie und unabhängige fachliche Informationen zur Fassadenbegrünung an.Wenn Sie tiefer einsteigen wollen oder Tipps für Planung und Umsetzung mit deren rechtlichen Rahmenbedingungen suchen, lesen Sie die Hintergrundinformationen zu diesem Steckbrief.
Im „Handbuch Grüne Wände“ fasst die Stadt Hamburg die wichtigsten Informationen zur Fassadenbegrünung gut strukturiert und anschaulich aufbereitet zusammen.
Die Richtlinien für die Planung, Ausführung und Pflege von Fassadenbegrünungen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e. V. enthalten unter anderem wertvolle Hinweise zu folgenden Bereichen: Auswahlkriterien zu Pflanzen, Konstruktionstechnische Anforderungen und Voraussetzungen, Zusammenstellung der unterschiedlichen Pflegekategorien.
Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. stellt Listen zu Pflanzen für eine wandgebundene Begrünung kostenlos zur Verfügung.
- Brune, M.; Bender, S.; Groth, M. (2017). Gebäudebegrünung und Klimawandel. Anpassung an die Folgen des Klimawandels durch klimawandeltaugliche Begrünung. Report 30. Climate Service Center Germany. Hamburg.
BuGG – Bundesverband GebäudeGrün e. V. (2020). Grüne Innovation Fassadenbegrünung. Berlin.
BuGG – Bundesverband GebäudeGrün e. V.; IBF – Ingenieurtechnische Beratung Fischer (2022). Förderrichtlinie Dach- und Fassadenbegrünung – Machbarkeitsstudie, Kurzfassung.
Dettmar, J.; Pfoser, N.; Sieber, S. (2016). Gutachten Fassadenbegrünung. Darmstadt.
FLL – Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2018). Fassadenbegrünungsrichtlinien. Richtlinien für die Planung, Ausführung und Pflege von Wand- und Fassadenbegrünungen. Bonn.
Pfoser, N. (2016). Fassade und Pflanze. Potenziale einer neuen Fassadengestaltung. Darmstadt.
Pfoser, N. (2018). Vertikale Begrünung. Stuttgart.
Wiener Umweltschutzabteilung (2019). Leitfaden Fassadenbegrünung. Wien. - Abb. 2 zeigt beispielhaft die Unterschiede in der Oberflächentemperatur mit und ohne Fassadenbegrünung anhand des Modells ENVI-Met, durchgeführt im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“. Mit dieser 3D-Software können mikroklimatische Auswirkungen von Gebäuden und Vegetation simuliert werden. Quelle: ENVI-met GmbH (2023, 23.05): ENVI-met Software. ENVi_MET. https://www.envi-met.com/de/software/
- Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) (Hrsg.) (2023). Lebendige Städte durch grüne Fassaden – Praxisratgeber wandgebundene Fassadenbegrünung. Veitshöchheim.
- Ebd.
- FLL – Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e. V. (Hrsg.) (2015). Bewässerungsrichtlinien – Richtlinien für die Planung, Installation und Instandhaltung von Bewässerungsanlagen in Vegetationsflächen. Bonn.
- Tabelle verändert nach BuGG/IBF (2022) [siehe Endnote 1], S. 48.
- BuGG (2020); BuGG/IBF (2022); Dettmar et al. (2016); Pfoser, N. (2018) und Pfoser, N. (2016) [siehe Endnote 1]; sowie FLL (2018), S. 99–147 [siehe Endnote 1].
- BuGG (aufgerufen am 26.05.2023): Dienst- und Serviceleistungen für Städte und Unternehmen. https://www.gebaeudegruen.info/service/service-dienstleistungen-fuer-staedte
Hintergrund
Das Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) der Landeshauptstadt München hat im Rahmen des Projekts „Grüne Stadt der Zukunft“ zur Wirkung verschiedener Begrünungsmaßnahmen geforscht, u. a. auch zur Fassadenbegrünung.
Impressum
Autor:innen:
Kira Rehfeldt
Dr. Teresa Zölch
Landeshauptstadt München, Referat für Klima- und Umweltschutz
Sabrina Erlwein
Technische Universität München
Stand: Oktober 2023
Redaktion: Antonia Sladek, IÖW
Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de
Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen
Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“