Steckbrief: Klimaanpassung bei Bauvorhaben nach § 34 BauGB
Grüne Stadtentwicklung in Gebieten ohne Bebauungsplan sicherstellen
Ziel
Sie erhalten einen Überblick zu rechtlichen und informellen Instrumenten, um grüne und blaue Maßnahmen in unbeplanten Gebieten zu fördern. Der Steckbrief zeigt, welche Vorgaben zur Klimaanpassung im Rahmen des § 34 BauGB möglich sind.
Für
- Kommunale Verwaltung (v. a. Planungs-, Bau- und Klimafachstellen)
Weitere Informationen zu Planungsinstrumenten wie Flächennutzungs- und Bebauungsplänen finden Sie im Oberthema „Integration in Planung und Verwaltung“. |
Fallbeispiel: So fordert und fördert Erlangen Fassadengrün
Erlangen zeigt, dass Klimaresilienz auch jenseits von Bebauungsplänen eingefordert werden kann:
- Seit 2020 gelten stadtweit durch die Freiflächengestaltungssatzung Vorgaben u. a. zur Gebäudebegrünung: „Fensterlose Fassadenabschnitte mit einer Breite ab 3,00 m, Fassaden von Garagen, Tiefgarageneinfahrten, Carports, Nebenanlagen und insbesondere Industrie- und Gewerbegebäude sind mit Kletterpflanzen flächig zu begrünen. Hierbei sind die vegetationstechnischen Erfordernisse zu berücksichtigen. Es ist mindestens eine Kletterpflanze pro 3,00 m Wandabwicklung zu pflanzen.“
- Zusätzlich fördert die Stadt freiwillige Maßnahmen – z. B. bis zu 50 Prozent der Kosten einer Fassadenbegrünung (maximal 3.500 €, siehe Förderrichtlinie „Grün in der Stadt“)

„In Gebieten, die unter den § 34 BauGB fallen, haben Kommunen weniger Einfluss auf eine klimaresiliente Gestaltung. Zwar fordert das Baugesetzbuch gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, doch das wird in der Praxis selten auf die Klimaanpassung bezogen. Um auch hier eine klimaorientierte Planung anzustoßen, können Kommunen unterschiedliche Instrumente kombinieren.“
Dr. Simone Linke
Technische Universität München
§ 34 BauGB – eine Herausforderung für die klimaresiliente Quartiersentwicklung
Geltungsbereich: Unbeplanter oder weiterzuentwickelnder Innenbereich
Für viele Bereiche eines Stadtgebiets existieren keine Bebauungspläne mit bindenden städtebaulichen und freiraumplanerischen Vorgaben. Hier richten sich die Bauvorhaben nach der näheren Umgebung. Für die stadtklimatische Entwicklung spielen auch diese sogenannten unbeplanten oder weiterzuentwickelnden Innenbereiche eine wichtige Rolle, da sie je nach Kommune größere Flächen einnehmen können.
Problem: Kommunen haben nur bedingt Einfluss
- § 34 BauGB sieht lediglich vor, dass sich die geplante Bebauung in Maß und Art der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die umliegende Bebauung einfügt und dass die Erschließung gewährleistet ist.
- Solange sich die Bauverantwortlichen an dieses Einfügungsgebot halten, muss die Baubehörde eine Genehmigung erteilen, auch wenn dadurch ein klimatischer Missstand entsteht oder verstärkt wird.
- Dieses „unsichtbare“ Baurecht wird häufig bei der Innenentwicklung v. a. in wachsenden Städten ausgeschöpft. Innenentwicklung kann das „Bauen auf der grünen Wiese“ reduzieren, es sollten jedoch klimatisch besonders sensible Bereiche (z. B. Luftleitbahnen) entsprechend untersucht und in der Planung berücksichtigt werden.
Was Kommunen tun können
Stecken Sie den rechtlichen Rahmen ab und fördern Sie privates Engagement, z. B. durch Anreize oder Förderprogramme. Prüfen Sie bei klimatisch besonders sensiblen Vorhaben die Option, das Gebiet über einen Bebauungsplan zu entwickeln, um klimatische Belange rechtlich zu verankern.
Handlungsoptionen bei Bauvorhaben im Rahmen des § 34 BauGB

Abb. 1: Instrumente zur klimaangepassten Quartiersentwicklung in unbeplanten oder weiterzuentwickelnden Innenbereichen.
Klimaanpassungsgesetz
Im Dezember 2023 beschloss die Bundesregierung das Bundes-Klimaanpassungsgesetz (KAnG). Hier wird u. a. festgeschrieben, dass die Chance auf gute Lebens- und Arbeitsbedingungen durch den Klimawandel nicht beeinträchtigt werden dürfen. Nutzen Sie dieses Gesetz, um Klimaanpassung in Ihren Bauvorhaben zu stärken.
Satzungen und Verordnungen
Mit stadtweiten Vorgaben für baulich-planerische Richtlinien können Sie auch Bauvorhaben nach § 34 BauGB steuern. Nutzen Sie diese Möglichkeit und erlassen Sie Satzungen und Verordnungen, z. B. um:
- Gebäude und Freiräume zu begrünen (Freiflächengestaltungssatzung),
- Schottergärten zu verbieten, siehe z. B. Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Hessen, Schleswig-Holstein und Bayern (hier z. B. Städte wie Erlangen),
- bestehende Bäume zu schützen (Baumschutzsatzung),
- abfließendes Niederschlagswasser zu reduzieren durch vorgeschriebene Verdunstung und Versickerung auf den Grundstücken (Entwässerungssatzung),
- den PKW-Stellplatzschlüssel zu reduzieren (Stellplatzsatzung),
- eine ausreichende Anzahl von Fahrradstellplätzen festzulegen (Fahrradstellplatzsatzung).
Freiflächengestaltungssatzung Landeshauptstadt München, 1996
Der Beschluss einer stadtweiten Satzung kann u. a. vorschreiben, dass Flachdächer ab 100 m2 extensive Dachbegrünung aufweisen müssen.
Ebenfalls sollen Wege mit wasserdurchlässigen Belägen versehen werden, um die lokale Versickerung zu gewähren.
Weitere Vorschriften finden Sie in der Freiflächengestaltungssatzung.

Juristischen Rat einholen
Satzungen sind eine gute Möglichkeit, planerische Rahmenbedingungen für die Klimaanpassung stadtweit zu beschließen. Lassen Sie sich bei der Erstellung neuer Satzungen juristisch beraten, um Anfechtungen und Klagen zu vermeiden.
Bei Freiflächengestaltungssatzungen gibt es keine verbindlichen Mindeststandards. Aus diesem Grund sollten bestehende Satzungen immer wieder geprüft und ggf. überarbeitet werden.
Finanzielle Anreize
Förderprogramme sind entscheidend, um privates Engagement zu unterstützen. Attraktive finanzielle Förderungen können eine wichtige Rolle bei der Begrünung und Entsiegelung von Stadtquartieren spielen. Informieren Sie die Bürger:innen über entsprechende Förderprogramme: Händigen Sie bei Baugenehmigungen beispielsweise Informationsmaterial zu Förderprogrammen aus oder bieten Sie Zuschüsse zu klimaresilienten Pflanzungen an. Neben Förderprogrammen für die Planung ist auch die Förderung des Monitorings und Unterhalts umgesetzter Maßnahmen ein wichtiger Bestandteil klimaorientierter Stadtentwicklung.
Förderung für Innenhof-, Vorgarten-, Dach und Fassadenbegrünung, Entsiegelung und naturnahe Firmengelände (München)

Mit diesem Förderprogramm für freiwillige Maßnahmen bezuschusst München beispielsweise eine intensive Dachbegrünung mit bis zu 100 €/m². Um dem Missbrauch der Förderung entgegenzuwirken, gilt eine Mindestlaufzeit: Begrünungs- oder Entsiegelungsmaßnahmen an Gewerbebauten müssen mindestens zehn Jahre erhalten bleiben.
Gründachförderung „Auf die Dächer – fertig – grün!“ (Hamburg)

Über die Gründachförderung werden freiwillige Maßnahmen mit maximal 100.000 € gefördert. Zusätzliche Zuschläge sind möglich, wenn z. B. die Abflussverzögerung erhöht wird oder wenn eine Extensivbegrünung mit Solarenergie kombiniert wird.
Mehr Materialien auf www.hamburg.de/gruendach
Befreiung von Gebühren
Der Erlass von Gebühren ist ein drittes Mittel, um Ziele der Klimaanpassung zu erreichen. Sie können z. B. Gebühren erlassen, wenn die Versickerung von Niederschlagswasser auf dem eigenen Grundstück oder durch geplante Dachbegrünungen nachgewiesen wurde.
Gesplittete Abwassergebühr (Pfaffenhofen)
Seit 2018 unterscheidet Pfaffenhofen auf der Abwasserrechnung zwischen Schmutz- und Niederschlagswasser: Belohnt werden Haushalte, die wenig oder gar kein Regenwasser in die Kanalisation fließen lassen.
Das schafft Anreize für Eigentümer:innen, mehr Grünflächen anzulegen, auf denen der Niederschlag versickern kann. Dadurch kann Versiegelung verhindert und Entsiegelung gefördert werden – und Kommunen sparen Kosten für die Wasseraufbereitung in Kläranlagen.

Fazit
Es gibt nicht die eine Stellschraube, die dazu beiträgt, dass Bauvorhaben gemäß § 34 BauGB klimaorientiert geplant werden. Kombinieren Sie am besten die vorgestellten Möglichkeiten. Grundsätzlich sind jedoch stadtweite Satzungen und Verordnungen wie die Freiflächengestaltungssatzung eine gute Grundlage, die – einmal erstellt – für jedes Bauvorhaben gelten. Im Idealfall haben Sie darüber hinaus ein behördenverbindliches Klimaanpassungskonzept.
Eine weitere wichtige Stellschraube ist das Monitoring des Vollzugs. Die besten Instrumente verlieren an Wirksamkeit, wenn Umsetzung und Unterhalt klimaorientierter Maßnahmen nicht überprüft werden. Nutzen Sie hierfür Instrumente wie den Freiflächengestaltungsplan.
§ 34 BauGB zum Nachlesen: gesetze-im-internet.de
Förderprogramme zur Klimaanpassung für Kommunen, kommunale Einrichtungen und private Akteur:innen finden Sie beim BBSR und bei der Zukunft – Umwelt – Gesellschaft.
Die Landeshauptstadt München bietet eine Übersicht zu kommunalen Förderprogrammen für Klima- und Umweltschutz.
Mehr Handlungsmöglichkeiten in der Planung, etwa im Rahmen von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, stellen wir in diesem Oberthema vor.
Hintergrund
Für das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ untersuchten das Referat für Stadtplanung und Bauordnung und das Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München gemeinsam mit der Technischen Universität München, welche Handlungsmöglichkeiten verschiedene formelle und informelle Planungsinstrumente für eine klimaorientierte Stadtplanung bieten.
Impressum
Autor:innen:
Simone Linke
Technische Universität München
Eva-Maria Moseler
Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung
Stand: Oktober 2023
Redaktion: Antonia Sladek, IÖW
Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de
Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen
Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“