Leitfaden: Mehr Grün durch verbindliche Bauleitplanung
Bebauungspläne mit integriertem Grünordnungsplan
Ziel
Dieser Leitfaden zeigt, wie Sie die Bebauungsplanung möglichst klimaorientiert ausrichten können. Kombiniert mit einem integriertem Grünordnungsplan können Kommunen über einen Bebauungsplan Klimaanpassung rechtsverbindlich festsetzen. Wichtig: Nutzen Sie klimaorientierte und grünplanerische Festsetzungen und achten Sie darauf, entsprechende Maßnahmen und Ziele frühzeitig zu integrieren und in Abwägungsprozessen kontinuierlich zu bekräftigen.
Wie gut schöpfen Sie die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten für eine klimaorientierte Bebauungsplanung bereits aus? Am Ende des Leitfadens (und im PDF ab S. 15) können Sie das mit einer kurzen Checkliste überprüfen. |
Für
- Kommunale Verwaltung (v. a. Planungs- und Klimafachstellen)
- Freie Planer:innen (v. a. Landschaftsarchitektur und Architektur)
- Gemeinde-/Stadträt:innen
Foto: Airgonautics GbR / Landeshauptstadt München
Städtebauliche Abwägung muss Klimaresilienz beachten
Spätestens seit der Klimaschutznovelle des BauGB 2011 ist auch die Klimaanpassung wichtiger Bestandteil der Aufgaben des Bauleitplanverfahrens. In § 1 Abs. 5 und § 1a Abs. 5 BauGB wurden Grundsätze ergänzt, die die Förderung klimaresilienter Städte untermauern und den Aspekt der Klimaanpassung verbindlich in die städtebauliche Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) integrierten, wenn auch nicht höher gewichten.
Prozessschritte des Bebauungsplans
Die Abbildung zeigt, wann und durch welche Maßnahmen Sie Klimaanpassungsmaßnahmen in das Bebauungsplanverfahren integrieren können. Entscheidend ist, dass die zuständigen Fachstellen schon bei der Grundlagenermittlung die richtigen Weichen stellen:
Exemplarischer Prozessablauf eines Bebauungsplans. 1
In sieben Schritten zur gemeinsamen Zukunftsvision
1. Grundlagenermittlung
Wichtigste Phase, um Klimabelange frühzeitig zu integrieren
Klimaorientierte Ziele festlegen
Obwohl die frühe Phase der Grundlagenermittlung nicht durch das BauGB geregelt ist, gilt sie als der wichtigste Arbeitsschritt, um klimaorientierte Ziele festzulegen und erste Untersuchungen durchzuführen.
Stellen Sie die Weichen für die Integration klimatischer Belange:
- Legen Sie übergeordnete Ziele zur Klimaanpassung fest, die z. B. Starkregenmanagement oder Hitzeregulierung durch Großbäume ansprechen – etwa indem Sie die Umsetzung des Schwammstadtprinzips oder die Verbesserung des Mikroklimas als Ziele formulieren.
- Klimaorientierte Ziele aus kommunalen Leitlinien und Konzepten stellen eine wichtige Grundlage dar, die in die Planung integriert werden müssen, um die Klimaorientierung von Bebauungsplänen zu stärken. Auch das Klimaanpassungsgesetz des Bundes, das 2024 in Kraft treten soll, muss in künftigen Planungsvorhaben berücksichtigt werden.
- Stimmen Sie sich möglichst frühzeitig intensiv mit (Klima-/Grün-)Fachstellen ab.
Bedarf von vertiefenden Fachgutachten bestimmen
Um den Umgang mit Extremwettereignissen wie Hitze oder Starkregen in der Planung zu verankern, sollten Sie bereits in diesem frühen Planungsschritt Grundlagen zur klimatischen Situation des Umgriffs und dessen stadtklimatischer Relevanz berücksichtigen und ggf. Fachgutachten beauftragen.
Analysieren Sie die klimatische Ausgangssituation im Umgriff des Bebauungsplans:
- Ermitteln Sie mithilfe stadtklimatischer Ersteinschätzungen (z. B. durch Klimafunktionskarten oder Klimarisikoanalysen) mögliche Auswirkungen des Bebauungsplans.
- Durch Auffälligkeiten und Wissenslücken in den Ersteinschätzungen können Sie den Bedarf von vertiefenden Fachgutachten (z. B. Klimagutachten) bestimmen. Die Fachgutachten können auch anhand von Testentwürfen erstellt werden.
- Ziehen Sie dazu stadtweite Grundlagenkarten wie etwa Stadtklimaanalysen oder Klimafunktionskarten heran, um Klimabelange zu objektivieren. Nutzen Sie darüber hinaus Grundlagen des Bundes und der Länder, wie beispielsweise die Klimawirkungs- und Risikoanalyse.
- Achten Sie darauf, Vulnerabilitäten wie Hitzehotspots aufzudecken, um diese später entsprechend bearbeiten zu können.
Klimafunktionskarten der Landeshauptstadt München
Für das Münchner Stadtgebiet wurde eine Stadtklimaanalyse (Klimafunktionskarte) erstellt. Diese enthält Karten zu den thermischen Bedingungen im Stadtgebiet sowie zu Kaltluftströmungsfeldern und den bioklimatischen Bedingungen. Grundlagen wie diese erleichtern eine stadtklimatische Ersteinschätzung und können Hinweise liefern, ob vertiefende Gutachten nötig sind. Besonderes Augenmerk sollte hier auf den klimatisch sensiblen Bereichen liegen.
Stadtklimaanalyse Landeshauptstadt München, Karte 11: Bewertungskarte Stadtklima, 2014.
2. Aufstellungsbeschluss
Stadt- oder Gemeinderat für Klimaanpassung sensibilisieren
Klimabelange in das Beschlussverfahren integrieren
Damit klimatische Belange von Stadt- oder Gemeinderäten umfassend berücksichtigt werden, müssen diese ausreichend für die Notwendigkeit von Grün-, Frei- und Wasserflächen sensibilisiert werden. Ein wirksames Instrument, um die Politik zu sensibilisieren, ist der Aufstellungsbeschluss.
Heben Sie bei den Planungszielen und Vorhaben im Beschlussentwurf auch das Thema Klimaanpassung hervor:
- Adressieren Sie im Beschlussentwurf Ziele zur Klimaresilienz, z. B.:
- Umsetzung eines Schwammstadtkonzepts oder einer naturnahen Regenwasserbewirtschaftung
- Berücksichtigung der Durchlüftungssituation, Luftschneisen oder Kaltluftentstehungsgebiete
- Erhalt des Baumbestands
- geringer Versiegelungsgrad
- Integrieren Sie Stellungnahmen der Fachstellen zu Klimabelangen und die Ergebnisse aus Fachgutachten in den Aufstellungsbeschluss.
Vorträge in Ausschüssen
Gerade in Städten mit hoher Flächenkonkurrenz gilt es, die Leistungen von Stadtgrün für die Klimaanpassung fundiert und überzeugend zu vermitteln. Zur Bewusstseinsbildung in der Politik können – projektunabhängig – fachliche Inputs durch Forschende, Verwaltungsmitarbeiter: innen oder Planer:innen beitragen. Für solche Informationsveranstaltungen etwa in Planungs-, Umwelt oder Mobilitätsausschüssen bieten wir Präsentationsfolien im Oberthema Sensibilisierung an.
3. Vergabe von Planungsleistungen und Gutachten
Klimakompetenz der Planenden berücksichtigen
Passende Vergabekriterien wählen
Die Produkte einer Planung, also die Entwurfsplanung, die Gutachten und die Umweltprüfung, werden in der Regel von externen Fachbüros erstellt. Unter den Vergabekriterien sollte die Kompetenz im Umgang mit Klimawandelfolgen einen wichtigen Stellenwert einnehmen.
Mögliche Nachweise für klimaorientierte Kompetenzen sind:
- Referenzen über klimaorientierte Projekte (Projektportfolio)
- Fortbildungen, Seminare oder Teilnahme an Konferenzen
- Inhalte der Ausbildung oder des Studiums
- interdisziplinärer Zusammenschluss verschiedener Büros / Bürogemeinschaften
- Mitgliedschaft in klimaorientierten Arbeitsgemeinschaften der Berufsverbände, wie z. B. Architektenkammern oder dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen
Wer entscheidet über den Zuschlag?
Nicht selten werden Planungsleistungen und Gutachten durch private Investor:innen oder Bauherr:innen vergeben. Die Entscheidung über die Vergabe sollte jedoch mit den am Verfahren beteiligten Behörden (meist Planungsbehörden) abgestimmt werden.
4. Frühzeitige Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit
Klimatische Belange in die Planung und Abwägung einbeziehen
Beteiligung und Stellungnahmen zu Schutzgütern
In der Umweltprüfung müssen Sie auf alle Stellungnahmen, Bedenken und Belange der Behörden und der Öffentlichkeit in Bezug auf das Schutzgut Klima eingehen.
Beziehen Sie alle geäußerten Stellungnahmen in die Planung und Abwägung ein:
- Je mehr Schutzgüter und Bedenken vorliegen, desto mehr Gutachten und Untersuchungen sind erforderlich. Das kann sich auf den Zeitrahmen und die Kosten des Planungsprozesses auswirken, bietet aber auch eine Chance für klimaresiliente Quartiere.
- Das Klima ist ein essenzieller Bestandteil der in § 1 Abs. 6 BauGB beschriebenen Schutzgüter. Klimaanpassung und Klimaschutz müssen daher immer berücksichtigt werden (§ 1 Abs. 5 BauGB), haben aber kein höheres Gewicht. Der Erhalt eines gesunden Stadtklimas und gesunde Wohn- sowie Arbeitsverhältnisse sind von öffentlichem Interesse.
Schützenswert: Gute Lebens- und Arbeitsbedingungen
Im Dezember 2023 beschloss die Bundesregierung ein neues Klimaanpassungsgesetz, mit dem sie sich verpflichtet, eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorzulegen. Klimaanpassung soll fachübergreifend und integriert berücksichtigt und während des Abwägungsprozesses umgesetzt werden, wodurch klimatische Belange eine größere Gewichtung erfahren. Besonders die Chance auf gute Lebens- und Arbeitsbedingungen soll durch den Klimawandel nicht beeinträchtigt werden.
5. Entwurfsplanung des Bebauungsplans mit Grünordnung
Festsetzungen für Klimaanpassung im Bebauungsplan ausschöpfen
Bebauungsplanentwurf klimaorientiert ausrichten
Anders als im Flächennutzungsplan sind verbindliche Festsetzungen für die Klimaanpassung im Bebauungsplan abschließend in § 9 Abs. 1 BauGB aufgelistet. Die vorhandenen Möglichkeiten bieten allerdings vielfältige Handlungsoptionen (Abb. 3).
Klimarelevante Festsetzungsmöglichkeiten im Baugesetzbuch
Für Erhalt und Ausbau der grünen und blauen Infrastruktur
- Flächen für die Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser (§ 9 Abs. 1 Nr. 14)
- Grünflächen wie Parkanlagen, Dauerkleingärten etc. (§ 9 Abs. 1 Nr. 15)
- Wasserflächen und Flächen für die Wasserwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 16)
- Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20)
- freizuhaltende Flächen zum Schutz vor Umweltauswirkungen, wie z. B. Starkregenund Überflutungsereignisse (§ 9 Abs. 1 Nr. 24)
- Neubepflanzungen und Erhalt von Vegetation, auch an Gebäuden (§ 9 Abs. 1 Nr. 25)
- indirekt: die überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2)
Zur Reduzierung versiegelter und unterbauter Flächen und zum Erhalt von Kaltschneisen sowie Durchlüftungskorridoren
- Umfang, Dichte und Lage baulicher Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1–4, 6)
- Flächen, die ganz von Bebauung freizuhalten sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 10)
- Umfang von (versiegelten) Verkehrsflächen und Stellplätzen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11)
- Lage und Größe von Lärmschutzmaßnahmen (§ 9 Abs. 1 Nr. 23–24)
Festsetzungsmöglichkeiten laut § 9 BauGB.
Grünordnungsplan zur Stärkung klimatischer Belange nutzen
Der Grünordnungsplan ist Teil der verbindlichen Bauleitplanung und schafft durch Festsetzungen den Rahmen für die Umsetzung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Geltungsbereich des Bebauungsplans. Darum eignet sich der Grünordnungsplan, um klimaorientierte Maßnahmen frühzeitig in der Planung zu verankern.
Grünordnung und Klimaanpassung für die Innenstadt West und Ost (Karlsruhe)
Die Stadt Karlsruhe gehört zu den Kommunen mit den höchsten Durchschnittstemperaturen deutschlandweit. Um dem städtischen Wärmeinseleffekt entgegenzuwirken, wird hier eine Grünsatzung als ergänzender Bebauungsplan für weite Teile der Innenstadt erarbeitet. Die festgelegten Regelungen schreiben verbindliche Maßnahmen zur Begrünung und Entsiegelung für alle Grundstücke vor, auf denen neu gebaut oder saniert wird.
Mehr Informationen dazu hier sowie im Video aus der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit.
Karte der Karlsruher Innenstadt.
Bei Festsetzungen im Bebauungsplanentwurf sollten Sie Folgendes beachten:
- Schöpfen Sie die grünen und klimaorientierten Handlungsoptionen und Festsetzungsmöglichkeiten aus (z. B. von der Bebauung freizuhaltende Flächen und ausreichende Neupflanzungen von Großbäumen).
- Nutzen Sie die Grünordnungsplanung als einen wesentlichen Planungsbestandteil. Hier werden die wesentlichen Themen der Klimaanpassung behandelt.
- Achten Sie auf eine fortschrittliche, gleichwertige Betrachtung von Grün und Gebäuden und integrieren Sie die Belange der Grünordnungsplanung ebenfalls in gleichem Maße.
- Berücksichtigen Sie die Klimaanpassung in Form von grüner und blauer Infrastruktur auch auf Gebäudeebene.2 Klimaanpassung ist nicht ausschließlich Teil der Grünordnungsplanung.
- Wägen Sie den Umfang, die Dichte und Lage baulicher Anlagen ab und passen Sie diese an die Rahmenbedingungen vor Ort an. Dies gilt nicht nur für Neubauprojekte, sondern insbesondere auch für Nachverdichtungen im Innenstadtbereich. Liegen diese in klimatisch sensiblen Bereichen, müssen auch hier entsprechende Flächen freigehalten werden.
- In der Baunutzungsverordnung sind ergänzend Bestimmungen zur Art (§§ 1–15 BauNVO) und zum Maß (§§ 16–21a BauNVO) der baulichen Nutzung erläutert. Die grafische Darstellung erfolgt entsprechend den Vorgaben der Planzeichenverordnung. Diese ist nicht endgültig und kann durch zusätzliche Planzeichen ergänzt werden, beispielsweise bei der Verortung von Fassadenbegrünungen an Gebäuden (siehe Abb. 5).
Exemplarische Planzeichen.
Genügen die Mindestanforderungen?
Der § 30 Abs. 1 BauGB definiert die Mindestanforderung für einen qualifizierten Bebauungsplan. Es müssen Art und Maß der baulichen Nutzung, überbaubare Grundstücksflächen und Verkehrsflächen festgelegt werden.
Spezielle Belange, wie die der Klimaanpassung, gehen über die Mindestanforderungen hinaus. Sie erfordern eine Festlegung von konkreten Maßnahmen. Daher gilt: Der Grünordnungsplan (§ 11 BNatSchG) sollte ein wesentlicher Planungsbestandteil sein, der auch die Themen der Klimaanpassung behandelt. Streben Sie eine Planung an, die sich aus den zu Beginn vom Grünordnungsplan angesetzten Rahmenbedingungen entwickelt.
Mustersatzungstexte nutzen
In größeren Städten mit dynamischen Stadtentwicklungsprozessen bietet es sich an, Mustersatzungstexte zu erstellen. So können grundlegende Stadtplanungsziele und optionale Festsetzungen frühzeitig juristisch abgeklärt werden. Die vorformulierten Textbausteine erleichtern die Arbeit für Verwaltung und Planer:innen.
Erstellen Sie Mustersatzungstexte zur Klimaanpassung:
- Da es sich bei der Planung klimaresilienter Quartiere und Kommunen um ein noch junges Themenfeld handelt, sollten Sie bestehende Mustersatzungskataloge in Zusammenarbeit mit Klimafachstellen ergänzen und überarbeiten.
- Beispiele für mögliche Formulierungen:
- „Befestigte Flächen sind wasserdurchlässig herzustellen, soweit dies funktional möglich ist.“
- „Flachdächer […] sind ab einer Fläche von [100] m² grundsätzlich mit einer extensiven Dachbegrünung mit einer Mindestgesamtschichtdicke von [20] cm (einschließlich Dränschicht) zu begrünen.“
Ergänzende städtebauliche Verträge
Für Ziele, die im gesetzlichen Rahmen des Bebauungsplanverfahrens nicht festzusetzen sind, können Sie das Instrument des städtebaulichen Vertrags in Erwägung ziehen. Städtebauliche Verträge werden in §§ 11, 12 und 124 BauGB geregelt und können neben den meist festgelegten Bestimmungen zu Aufstellungs- und Unterhaltskosten auch Maßnahmen für eine klimaresiliente Planung umfassen. Je nach Inhalt können sie während des gesamten B-Planverfahrens geschlossen werden.
Verschiedene Vertragsarten, wie Maßnahmen-, Zielbindungs- und Folgekostenverträge, stellt diese Checkliste des Projekts ESKAPE (S. 14–15) vor.
Verhandeln Sie mit den Bauherr:innen über klimaorientierte Maßnahmen:
- Je nach Vertragsart können Sie unterschiedliche Vereinbarungen treffen, etwa:
- zu Baumaterialien und technischen Details wie Farbgebung von Belägen, beispielsweise um die Albedo zu erhöhen,
- zum Unterhalt von Grünflächen,
- zu spezifischen Pflanzgeboten oder detaillierten Angaben zur Saatgutverwendung.
- Bei städtebaulichen Verträgen verlässt die Kommune den hoheitlichen Bereich, um auf Augenhöhe Vereinbarungen auszuhandeln. Hier gilt grundsätzlich: Verlangen Sie den Vertragspartner:innen nichts ab, was aus juristischer Sicht nicht zumutbar ist.
6. Billigungsbeschluss, Beteiligung und Abwägungsprozess
Auslegung und Beteiligung der Behörden Billigungsbeschluss, Beteiligung und Abwägungsprozess
Beteiligung und Abwägungsprozess
Nach dem Billigungsbeschluss ist eine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden durch die öffentliche Auslegung gemäß § 3a Abs. 2 und § 4a Abs. 2 BauGB vorgesehen. Auch in dieser zweiten Beteiligung sollte die Klimaanpassung ein wichtiges Thema sein, in dem die Klimabelange der Fachstellen und der Öffentlichkeit bei der Abwägung intensiv berücksichtigt und abgewogen werden.
Beachten Sie zusätzlich zu den im Schritt 4 genannten Punkten:
- Eine Beteiligung gemäß § 4a Abs. 2 kann sowohl vor als auch parallel zum Billigungsbeschluss geschehen. Eine Beteiligung gemäß § 3a Abs. 2 wird nach dem Billigungsbeschluss umgesetzt.
- Bei Entwurfsänderung erfolgt die erneute öffentliche Auslegung (§ 4a Abs. 3 BauGB). Hier gilt: Beziehen Sie auch hier alle geäußerten Stellungnahmen, Bedenken und Belange der Behörden, TöB und der Öffentlichkeit in Bezug auf das Schutzgut Klima in die Planung und Abwägung ein.
- Nach der öffentlichen Auslegung erfolgt die Abwägung privater und öffentlicher Belange. In § 1 Abs. 7 BauGB finden Sie alle klimarelevanten Themen, die in der Abwägung zu berücksichtigen sind. Heben Sie darüber hinaus den Wert von Klimaanpassungsmaßnahmen in Form von Grün- und Erholungsflächen sowie Vegetation für die Allgemeinheit hervor. Berücksichtigen Sie hierbei auch die menschliche Gesundheit als Schutzgut. Stimmen Sie sich möglichst frühzeitig intensiv mit (Klima-/Grün-)Fachstellen ab.
Wie schwer wiegen Klimaschutz und -anpassung?
Nach § 1 Abs. 5 BauGB müssen Klimaanpassung und Klimaschutz berücksichtigt werden. Sie haben zwar kein höheres Gewicht, aber das relative Gewicht in der Abwägung nimmt mit fortschreitendem Klimawandel weiter zu und wird auch durch das neue Bundes-Klimaanpassungsgesetz gestärkt.
7. Satzungsbeschluss, Bekanntmachung und Monitoring
Klimaorientierte Umsetzung der Maßnahmen sichern
Ge- und Verbote nutzen, Überprüfung sicherstellen
Im Anschluss an die Abwägung erfolgen Satzungsbeschluss durch den Stadt- oder Gemeinderat, die Genehmigung und die Bekanntmachung des B-Plans. Auch außerhalb des Bauplanungsrechts stehen Ihnen Instrumente zur Verfügung, um Klimaanpassungsziele umzusetzen. Das Bauplanungsrecht setzt den Grundstückseigentümer:innen in Bebauungsplangebieten lediglich den Rahmen einer zulässigen Bebauung.
Erweitern Sie Ihre Einflussmöglichkeiten durch Gebote nach BauGB, die eine Stadt oder Kommune erlässt:
- Sieht die Stadt oder Kommune die dringende Notwendigkeit einer städtebaulich erforderlichen baulichen Maßnahme, können auch städtebauliche Gebote erlassen werden. Für die Klimaanpassung sind vor allem folgende Gebote nach § 175 BauGB relevant: das Baugebot (§ 177 BauGB), das Pflanzgebot (§ 178 BauGB) und das Rückbau- und Entsiegelungsgebot (§ 179 BauGB).
- Der Bebauungsplan schreibt nicht vor, dass oder wann gebaut werden muss. Setzen Sie Baugebote ein, um Eigentümer:innen zu verpflichten, innerhalb einer Frist das Grundstück gemäß dem B-Plan zu entwickeln. Setzen Sie hierfür auch städtebauliche Verträge ein.
- Pflanzgebote ergeben sich aus der Festsetzung zur Begrünung und sind dementsprechend aus dem B-Plan abzuleiten. Nutzen Sie dieses, um z. B. Schottergärten zu verhindern, indem Sie ein Pflanzgebot in Vorgärten erlassen. Darüber hinaus ermöglicht es § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB, die Umsetzung von Begrünungsmaßnahmen zu erzwingen. Im Fokus stehen hier u. a. das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern sowie deren Erhalt.
- Wie mit dem Pflanzgebot können Sie private Eigentümer:innen auch mit dem Rückbau- und Entsiegelungsgebot dazu verpflichten, einen Zustand zu schaffen, der dem städtischen Klima zuträglich ist.
- Beachten Sie, dass städtebauliche Gebote immer an hohe rechtliche Anforderungen geknüpft sind. Nutzen Sie ggf. rechtliche Unterstützung.
- Entscheidend ist auch, die Umsetzung der klimaorientierten Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen. Nicht selten kommt es vor, dass Festsetzungen trotz ihrer rechtlichen Verbindlichkeit nicht berücksichtigt werden, etwa der Erhalt von Bestandsbäumen. Lassen Sie Baumaßnahmen von einem qualifizierten Unternehmen deshalb stichprobenartig überwachen.
Vor- und Nachteile des Bebauungsplans:
- Bebauungspläne sind das verbindlichste Planungsinstrument. Klimaanpassungsmaßnahmen und -ziele können frühzeitig und umfassend integriert, festgesetzt und in Abwägungsprozessen kontinuierlich bekräftigt werden.
- Der Grünordnungsplan kann auch eigenständig oder punktuell aufgestellt werden, um spezielle Ziele umzusetzen.
- Der Bebauungsplan ist starr und unflexibel, Aufstellungen von neuen Bebauungsplänen dauern oft mehrere Jahre. Änderungen und Fortschreibungen sind zeitintensiv.
- Insgesamt eignen sich Bebauungspläne vor allem für Neuplanung und weniger für die Weiterentwicklung im Bestand.
Nutzen Sie für Bestandsgebiete den Leitfaden „Sanierungsgebiete klimaorientiert gestalten“.
Fortbildungs- und Beratungsangebote
- Fortbildungsangebote finden Sie bei der Architektenkammer oder beim Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen.
- Auch andere Institutionen wie das Zentrum KlimaAnpassung, Institut für Städtebau und Wohnungswesen oder die Landeskammern der Berufsverbände bieten regelmäßige Fortbildungs- und Beratungsangebote zum Thema Klimaanpassung in der Bauleitplanung an.
Checkliste: Klimaorientierte Bebauungsplanung
Hier können Sie testen, wie gut Ihr laufendes Bebauungsplanverfahren bereits Maßnahmen zur Klimaanpassung integriert und welchen Spielraum es noch gibt. Gesetzliche Grundlage ist das BauGB, erstes Kapitel, erster Teil.
Planungsphase und gesetzliche Grundlage
Klimaorientierung optimieren
Einleitung des Verfahrens, Grundlagenermittlung
§ 1 BauGB
In die Grundlagenermittlung sind Daten zu klimatischen Belangen (z. B. Klimafunktionskarten, Klimarisikoanalysen) eingeflossen. Sofern sich ein Bedarf an zusätzlichen Fachgutachten zeigte, wurden diese beauftragt. Falls eine Stadtklimaanalyse vorhanden ist, wurde sie zur Objektivierung der klimatischen Belange genutzt.
Die Analyse hat Vulnerabilitäten wie Hitzehotspots aufgedeckt.
Klimatische Ziele aus übergeordneten Planungen sowie kommunalen Leitlinien und Konzepten wurden aufgenommen.
Bei der Grundlagenermittlung wurden bestehende Grundlagen des Bundes und der Länder berücksichtigt, etwa Angaben zu Temperatur- und Niederschlagsänderungen, Hochwassergefahrenkarten oder Klimaanpassungsstrategien.
Alle relevanten Fachstellen beteiligten sich an Startgesprächen, um eventuelle Zielkonflikte und die Klimawirksamkeit der Planung zu diskutieren.
Aufstellungsbeschluss
§ 2 Abs. 1 BauGB
Auf Basis der Grundlagenermittlung wurden klimaorientierte Zielsetzungen definiert und im Beschluss aufgegriffen.
Die mit dem Bebauungsplan beauftragte Fachstelle hat Gutachten und Stellungnahmen zu Klimaaspekten berücksichtigt.
Optional: In Fachvorträgen konnten sich Lokalpolitiker:innen im Gemeinde- bzw. Stadtrat über die Bedeutung von Stadtgrün für die Klimaanpassung informieren.
Ggf. Vergabe der Planungsleistungen, frühzeitige Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit
§ 4 Abs. 1 BauGB (TöB) § 3 Abs. 1 BauGB (Öffentlichkeit)
In Ausschreibung und Vergabe wurde die klimaorientierte Expertise der Planungsbüros abgefragt und berücksichtigt.
Stellungnahmen zu Schutzgütern wurden berücksichtigt und das Schutzgut Klima nach § 1 Abs. 6 BauGB in die Umweltprüfung aufgenommen und ausführlich behandelt.
Der Erhalt eines gesunden Stadtklimas und gesunder Wohn- sowie Arbeitsverhältnisse wurden als öffentliche Interessen berücksichtigt.
Die Planung und Abwägung berücksichtigte alle geäußerten Stellungnahmen, Bedenken, Belange der Behörden, und der Öffentlichkeit in Bezug auf das Schutzgut Klima.
Entwurfsplanung des Bebauungsplans mit Grünordnung
§ 9 BauGB
Alle Möglichkeiten zur verbindlichen Festsetzung der Klimaanpassung nach § 9 Abs. 1 BauGB wurden vollumfänglich genutzt.
Die Grünordnungsplanung ist gleichwertiger Bestandteil der Planung: Der Bebauungsplanentwurf adressiert Belange der Grünordnung, auch freiraumrelevante Themen der Klimaanpassung, in gleichem Maß wie Belange der Bebauung.
Auf Gebäudeebene wurden Maßnahmen zur grünen und blauen Infrastruktur berücksichtigt.
Umfang, Dichte und Lage baulicher Anlagen wurden gegeneinander abgewogen und an die Rahmenbedingungen vor Ort angepasst. Klimatisch sensible Bereiche wurden, falls vorhanden, berücksichtigt und von Bebauung freigehalten.
Billigungsbeschluss, Beteiligung der Behörden öffentliche Auslegung
§ 4 Abs. 2 BauGB (TÖB) § 3 Abs. 2 BauGB (öffentliche Auslegung)
Alle geäußerten Stellungnahmen, Bedenken, Belange der Behörden und der Öffentlichkeit in Bezug auf das Schutzgut Klima sind in die Planung und Abwägung eingeflossen.
Satzungsbeschluss, Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses, Monitoring der Maßnahmenumsetzung
§ 10 BauGB (Satzungsbeschluss)
Optional: Städtebauliche Verträge mit Bauherr:innen regeln Unterhalt und Pflege von Grünflächen.
Optional: Im Falle der dringenden Notwendigkeit einer festgesetzten Maßnahme wurden städtebauliche Gebote erlassen.
Optional: Im Rahmen von § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB wurde die Umsetzung von Begrünungsmaßnahmen erzwungen.
Ein qualifiziertes Unternehmen überprüft regelmäßig die Umsetzung klimaorientierter Maßnahmen.
Vertiefende Informationen für Klimaanpassung in der Bauleitplanung finden Sie in der ESKAPE – Checkliste für eine klimaangepasste Bauleitplanung der RWTH Aachen.
Das Umweltbundesamt hat eine Praxishilfe für „Klimaanpassung in der räumlichen Planung“ zusammengestellt.
Im Oberthema Integration in Planung und Verwaltung gehen wir auf weitere Instrumente für eine klimaangepasste Stadtplanung ein – u. a. Sanierungsgebiete, Flächennutzungspläne und Wettbewerbe.
- Linke, S. et al. (2021). Die Planung einer grünen Stadt der Zukunft. Handlungsmöglichkeiten und Instrumente, S. 36. https://www.lss.ls.tum.de/fileadmin/w00bds/lapl/Bilder/ Projekte/GrueneStadt/Broschure_1.pdf
- Hinweise für Maßnahmen auf Ebene einzelner Gebäude finden Sie in unseren Checklisten und Steckbriefen im Oberthema Bauen und Gebäude.
Hintergrund
Für das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ untersuchten das Referat für Stadtplanung und Bauordnung und das Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München gemeinsam mit der Technischen Universität München, welche Handlungsmöglichkeiten verschiedene formelle und informelle Planungsinstrumente für eine klimaorientierte Stadtplanung bieten.
Impressum
Autor:innen:
Eva-Maria Moseler
Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung
Simone Linke
Annabell Hoffmann
Technische Universität München
Stand: Oktober 2023
Redaktion: Antonia Sladek, IÖW
Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de
Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de
Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen
Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente Quartiere in einer wachsenden Stadt“