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Checkliste: Klimaresiliente Freiräume langfristig planen

Ziel

Diese Checkliste zeigt, wie Sie Freiräume in der Stadt in der Planung mitdenken, anpassen und erhalten können, um zur Klimaresilienz der Stadt und ihrer Bürger:innen beizutragen. Im Fokus steht die gesamtstädtische Ebene, etwa Kaltluftleitbahnen oder größere zusammenhängende Grünflächen.

Für

 Für kleinräumigere Projekte nutzen Sie bitte die Checkliste „Quartiersfreiflächen klimaresilient gestalten“

Luftbild Grüngürtel Köln: Foto Dronepicr Flickr 2015 (CC BY 2.0)

Kaltluftleitbahnen erhalten

Hauptverantwortliche: Planer:innen, Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen

Wirkung/Details

Zu beachten

Freie Luftleitbahnen vom Umland in die Stadt sind essenziell für die nächtliche Kaltluftentstehung und -zufuhr sowie für den Schadstoffabtransport. Der Bau von Strömungshindernissen sollte hier vermieden werden – etwa Gebäuderiegel oder Lärmschutzwälle, die quer zur Anströmrichtung stehen. Mit klimatischen Gutachten können Sie prüfen lassen, ob Durchlüftungsachsen beeinträchtigt werden

Nutzen Sie angesichts der Flächenkonkurrenz Synergiepotenzial zum Arten- und Biotopschutz sowie zur Erholungsnutzung. Eine naturschutzfachliche Unterschutzstellung kann sinnvoll sein, wenn es Synergien zum Naturschutz gibt.

Klimatisches Gutachten für die Heltauer Straße (München) Weil das Planungsgebiet Heltauer Straße in einer lokal wirksamen Luftleitbahn liegt, wurde ein klimatisches Gutachten erstellt: Modellierungen anhand von Testentwürfen zeigen, wie verschiedene Gebäudetypologien auf die nächtliche Durchlüftungssituation wirken. Dies erfolgte im Rahmen der Grundlagenermittlung und spiegelt keinen finalen städtebaulichen Entwurf wider. Das Gutachterbüro leitete Planungshinweise (ein Struktur-konzept) für spätere Projektphasen (z. B. Wettbewerbe) ab. Sie berück-sichtigen u. a. die übergeordnete Durchlüftungssituation und eine gute Grünausstattung, um die stadtklimatischen Veränderungen durch eine Bebauung zu verringern.1
Grafik: © Geo Net 2021

Abb. 1: Bilanzierung des Kaltluftvolumenstroms bei Südanströmung um 04:00 Uhr nachts – Vergleich des Ist-Zustands mit Planungsvarianten für Blockrandbebauung (links) und Zeilenbebauung (rechts).

Regionale Grünzüge im Flächennutzungsplan schützen (München)

Regionale Grünzüge als Instrument der Regionalplanung können als Vorranggebiete für ihre Freiraumfunktionen gesichert werden: Verbesserung des Bioklimas, Sicherung des Luftaustauschs, Gliederung von Siedlungsräumen und Erholung. Regionale Grünzüge sind meist Grünflächen von übergeordneter Bedeutung und sollten von Bebauung freigehalten werden. In München stellt z.B. der Flächennutzungsplan als nachrichtliche Übernahme aus dem Regionalplan mehrere regionale Grünzüge dar, etwa das Isartal oder das Hachinger Tal.

Abb. 2: Landschaftspark Hachinger Tal.

Foto: MattesWikimedia 2017 (CC BY 2.0)

Freiräume am Stadtrand sichern

Hauptverantwortliche: Planer:innen

Wirkung/Details

Zu beachten

Zusammenhängende Grün- und Freiflächen rund um die Stadt erfüllen als Kaltluftentstehungsgebiete und Ausweichorte für Bürger:innen bei Hitze wichtige Funktionen für eine klimaresiliente Stadt. Für solche Freiräume können Sie mit einer rechtlichen Verankerung planerische Verbindlichkeit schaffen, aber auch informelle Instrumente können zur Sicherung beitragen.

Grünflächen in unmittelbarer Stadtnähe sind aufgrund des hohen Bebauungsdrucks oft gefährdet. Informelle und rechtliche Instrumente wie Freiraumentwicklungsstrategien, Leitlinien, Masterpläne oder Flächennutzungspläne mit integrierter Landschaftsplanung der jeweiligen Region helfen, diese langfristig zu schützen. Einige Kommunen weisen Flächen auch unter der Organisation von Trägervereinen als Regionalparks aus.

Der Grüngürtel als Landschaftsschutzgebiet (Frankfurt)

Die Stadt Frankfurt sichert Flächen in einer durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossenen „Grüngürtel-Verfassung“ rechtlich ab. Herzstück war die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet. Ein Zielkatalog und ein Flächen- sowie Grüngürtelplan unterstützen die weitere Entwicklung.

Abb. 3: 30 Jahre GrünGürtel – Übersichtskarte, Stand 2021.2
Grafik: Stadt Frankfurt am Main, Umweltamt
Privates Engagement im Grüngürtel (München) Der Münchner Grüngürtel hat keine formale Verbindlichkeit. Wichtig für die Sicherung und Weiterentwicklung sind interkommunale Vereine (Verein Dachauer Moos, Heideflächenverein, Urbane Gärten München). Sie betreuen einzelne Bereiche, fördern den Naturschutz und betreiben Umweltbildung. Für Renaturierungsmaßnahmen arbeiten sie eng mit der Stadt zusammen – etwa über das Ausgleichsflächenkonzept. Auch Landwirt:innen sind wichtige Partner:innen für die landschaftliche Entwicklung des Grüngürtels und den Artenschutz. Die Stadt München steht ihnen sowohl beratend als auch bei der Organisation von Projekten und der Direktvermarktung ihrer Produkte zur Seite.

Freiräume am Stadtrand attraktiv gestalten

Hauptverantwortliche: Planer:innen, Landschaftsarchitekt:innen

Wirkung/Details

Zu beachten

Großräumige Grün- und Freiflächen am Stadtrand sind für die Stadtbevölkerung mit einem Anfahrtsweg verbunden. Damit möglichst viele Bürger:innen von diesen Erholungsflächen profitieren, ist eine attraktive Gestaltung entscheidend. Die Attraktivität lässt sich steigern, etwa durch eine naturnahe Flächennutzung, Zugang zu Abkühlungsmöglichkeiten und gastronomische Angebote.

Zielkonflikte zwischen der Nutzung als Erholungsgebiet und dem Naturschutz sind möglich. Durch attraktive Wege in weniger sensiblen Flächen und durch schwer zugängliche Naturschutzbereiche können Sie den Besucherstrom lenken.

Wann suchen Menschen entferntere Grünflächen auf?

Laut einer Umfrage mit 990 Befragten spielen Wald, Bademöglichkeiten, Gastronomie und eine extensive Landnutzung mit einer höheren Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten die größte Rolle für den Besuch des Münchner Grüngürtels. An Hitzetagen steigt die Attraktivität von Wald und Bademöglichkeiten weiter.3

Wälder erhalten, umbauen und aufforsten

Hauptverantwortliche: Planer:innen, Waldeigentümer:innen

Wirkung/Details

Zu beachten

Wälder in und nah an Siedlungsgebieten sind bedeutend für Klimaschutz, Hitzeregulation sowie Biodiversität und ziehen schon heute viele Besucher:innen an. Bei Hitze steigt ihre Bedeutung als kühler Rückzugsort, insbesondere für ältereBürger:innen. Erhalten Sie diese Funktionen durch das Sichern von Flächen und den klimaresilienten Umbau der Wälder.

Der Klimawandel bedroht den Waldbestand durch zunehmende Trockenheit, Stürme und Hitze, Gleichzeitig begünstigt er die Massenvermehrung des Borkenkäfers und invasiver Arten. Besonders fichten- und buchendominierte Wälder sind bedroht aufgrund ihrer geringen Wasserspeicherkapazität. Darum erarbeiten die Länder Empfehlungen für den Waldumbau und für eine regionale klimaresiliente Baumartenauswahl.

Die Waldstrategie 2050 des BMEL beschreibt Handlungsfelder, Meilensteine und Zwischenziele auf dem Weg zum „Leitbild Wald 2050“. Sie sieht Maßnahmenpläne zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel vor. Hierzu gehört, den Baumbestand zu verjüngen und heimische Baumarten mit hoher Klimavariabilität auszuwählen, um strukturreiche Mischwälder zu erhalten und zu entwickeln. Einzelne Länder stellen dafür bereits differenzierte regionale und lokale Informationen zu Standort, Klima und Baumarteneignung bereit (z. B. Bayern).

Fußläufige Grünflächen erhalten

Hauptverantwortliche: Planer:innen, Landschaftsarchitekt:innen, Architekt:innen

Wirkung/Details

Zu beachten

Fußläufig vom Wohnort erreichbare Grünflächen sind besonders für vulnerable Gruppen wichtig, die nicht über Mobilität, Zeit oder Geld verfügen, um weiter entfernte Grünräume zu nutzen. Mit Freiflächengestaltungsplänen und Bebauungsplänen mit Grünordnung können Sie eine ausreichende Versorgung sichern. Eine Freiflächengestaltungssatzung kann die Qualität der Begrünung privater Freiflächen gewährleisten.

Damit wohnortnahe Grünflächen genutzt werden und zur Klimaresilienz beitragen, sollten sie einige qualitative Merkmale erfüllen wie z. B. Verschattung und Wasserdurchlässigkeit (siehe „Grünflächen qualifizieren“).
Freiflächengestaltungssatzungen erhalten wohnungsnahes Grün (Regensburg und München) In Regensburg regelt eine Satzung das Mindestmaß an grüner Gestaltung auf Baugrundstücken. Sie macht qualitative und quantitative Vorgaben, z. B. zu Baumpflanzungen oder zur Wasserdurchlässigkeit von Zufahrten und Zuwegungen auf Baugrundstücken.

München beschloss 1996 eine Freiflächengestaltungssatzung, um eine qualitativ hochwertige Durchgrünung und Gestaltung von Baugrundstücken sicherzustellen. Teilflächen müssen begrünt und mit Bäumen sowie Sträuchern bepflanzt werden, Zufahrten und Zuwege sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Ebenso sind Angaben zu Neupflanzungen enthalten. Die Satzung gilt im gesamten Stadtgebiet für unbebaute Flächen und für die Fassadengestaltung. Sie bezieht sich auf Vorhaben, für die ein Bauantrag gestellt werden muss bzw. eine baurechtliche Prüfung erforderlich ist.

Erreichbarkeit von Grünflächen verbessern

Hauptverantwortliche: Planer:innen

Wirkung/Details

Zu beachten

Erreichbarkeit ist zentral: Am häufigsten nutzen Bürger:innen wohnortnahe Grünflächen.

Vernetzte grüne Radwege machen mehr Grünflächen für Radfahrer:innen attraktiv. Gute Angebote öffentlicher Verkehrsmittel sind besonders für Geringverdienende und mobilitätseingeschränkte Bürger:innen wichtig.

Ausflug zum Münchner Grüngürtel: Geringverdienende nutzen verstärkt ÖPNV

Ein Großteil der Münchner:innen besucht regelmäßig den stadtnahen Grüngürtel. Dafür wählen sie folgende Verkehrsmittel:

Abb. 4: Repräsentative Befragung zur Nutzung des Grüngürtels mit 990 Münchner:innen (2020). Die Grafik zeigt die Art der Anreise im Schnitt sowie für zwei vulnerable Gruppen. 4

Grünflächen qualifizieren

Hauptverantwortliche: Landschaftsarchitekt:innen, Planer:innen

Wirkung/Details

Zu beachten

Die Ausstattung ist entscheidend für die Erholungsfunktion einer Grünfläche. Hierfür braucht es schattenspendende Bäume und kühlende Wasserelemente, ausreichende Sitzmöglichkeiten und Spielflächen. Mit einem Pflegekonzept können Sie die langfristige Entwicklung unterstützen. Die Vernetzung von Grünflächen bietet das Potenzial, Grünachsen zu schaffen, was die Attraktivität einer Stadt erhöht und die Stadtnatur fördert.

Damit neugepflanzte Bäume einen optimalen Beitrag zur langfristigen Klimaresilienz leisten, sind einige Punkte bei der Wahl der Baumart und des Standorts zu beachten. Hinweise dazu finden Sie im Steckbrief „Bäume als Hitzeschutz“.

Parkmeilen – Gemeinsam vielseitig nutzbare Freiräume entwickeln (München)

Die Münchner Parkmeilen sind bis zu acht Kilometer lange Grünzüge, die die großen städtischen Parkanlagen mit Landschaftsräumen am Stadtrand verbinden. Sie vernetzen verschiedene Stadtteile, fördern die Biodiversität, sichern Erholungsorte, tragen zur Naturerfahrung bei und regulieren das Stadtklima. Bis Herbst 2023 erhält die Stadt Fördergelder (BBSR, BMI), um mit Bürger:innen vor Ort vielseitig nutzbare Freiräume zu entwickeln und die Areale aufzuwerten. Dies geschieht etwa durch urbanes Gärtnern, Sportprogramme, Themenführungen oder Zeichenkurse.

Um auch kleinere Freiflächen wie private Innenhöfe oder öffentliche Plätze für den Hitzeschutz zu optimieren, können Sie sich an der Checkliste „Quartiersfreiflächen klimaresilient gestalten“ orientieren.

Für die Entwicklung klimaresilienter Freiräume und Quartiere lohnt sich eine nähere Befassung mit den zur Verfügung stehenden Planungsinstrumenten. Materialien dazu finden Sie im Oberthema „Integration in Planung und Verwaltung“ auf dieser Website.

  1. Banihashemi, F.; Erlwein, S.; Harter, H.; Meier-Dotzler, C; Zölch, T., Bauer, A.; Jean-Louis, G.; Lang, W; Linke, S.; Mittermüller, J.; Pauleit, S.; Putz, A. (2021). Grüne und graue Maßnahmen für die Siedlungsentwicklung. Klimaschutz und Klimaanpassung in wachsenden Städten, S. 14. www3.ls.tum.de/fileadmin/w00bds/lapl/Bilder/Projekte/GrueneStadt/Broschure_2.pdf
  2. Stadt Frankfurt am Main, Umweltamt (2021). 30 Jahre GrünGürtel Frankfurt: Menschen, Daten und Projekte. https://frankfurt.de/service-und-rathaus/verwaltung/publikationen/umweltamt/im-gruenen/30-jahre-gruenguertel-frankfurt
  3. Welling, M.; Hirsch, I.; Linke, S.; Zölch, T.; Mittermüller, J. (2021). Potenziale des Münchner Grüngürtels für die klimaresiliente Stadtentwicklung. https://www3.ls.tum.de/fileadmin/w00bds/lapl/Bilder/Projekte/GrueneStadt/FS_Gruenguertel_Leseversion.pdf
  4. Ebd.

Hintergrund

Im Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ erforschten die Technische Universität München, die Ludwig-Maximilians-Universität München, das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Landeshauptstadt München, wie Potenziale von grünen Freiräumen für eine klimaresiliente Stadt ausgeschöpft werden können. Hierzu wurden Klimasimulationen, Bevölkerungsbefragungen und Expert:innengespräche durchgeführt.  

Impressum

Autor:innen:
Malte Welling
Pina Schubert
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)

Amelie Bauer
Sophie Duschinger
Institut für Soziologie derLudwig-Maximilians-Universität (LMU)

Eva-Maria Moseler
Teresa Zölch
Kira Rehfeldt
Landeshauptstadt München

Stand: Oktober 2023

Redaktion: Antonia Sladek, IÖW

Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de

Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de

Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen

Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente  Quartiere in einer wachsenden Stadt“