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Steckbrief: Bäume als Hitzeschutz

Strategisch pflanzen und Bestand erhalten

Ziel

Der Steckbrief zeigt, wie Sie einen langfristig robusten und leistungsfähigen Baumbestand entwickeln können. Indem Sie Standort und Baumart strategisch wählen, nutzen Sie die Vorteile für die Klimaanpassung bestmöglich aus. Schwerpunkt ist hier der Hitzeschutz: Sie erhalten Fakten zur Kühlwirkung von Bäumen, Hinweise für optimale Standortbedingungen und geeignete Baumarten.

Für

Fallbeispiel: Diversifizierte Baumpflanzungen zur Klimaanpassung in der ökologischen Mustersiedlung Prinz-Eugen-Park (München)

Bäume sind essentiell für eine lebenswerte Stadt – doch auch sie leiden stark unter Klimawandelfolgen. Mehr Vielfalt im Baumbestand hilft, großen Verlusten durch Krankheiten, Schädlinge und Extremwetterperioden vorzubeugen. Bei Neupflanzungen im Prinz-Eugen-Park im Frühjahr 2023 setzte die Stadt München u.a. bei den Straßenbäumen auf eine Kombination klimaangepasster Arten:1

Foto: Sandra Feder 2023

Abb.1: Straßenbäume im Prinz-Eugen-Park v. l. n. r.: Ungarische Eiche (Quercus frainetto), zwei Säulen-Gleditschien (Gleditsia triacanthos „Skyline“), Oregon-Blutahorn (Acer Platanoides „Royal Red“), Silberlinde (Tilia tomentosa „Brabant“), Ungarische Eiche, Kegel-Robinie (Robinia pseudoacacia „Bessoniana“).

„Am richtigen Standort erbringen Stadtbäume unersetzliche Leistungen etwa für die Hitzeprävention. Oft schwächen jedoch Wasser- und Nährstoffmangel, Bodenverdichtung und Schadstoffeintrag ihre positive Wirkung ab. Falsch platziert können Bäume sogar negativ wirken: Wenn sie die Luftzirkulation behindern, staut sich Wärme auf.“

Sandra Feder
Technische Universität München

Vorteile auf einen Blick

Vor allem alte Bäume…

Wie wertvoll sind zusätzliche Bäume?

Angenommen, Leipzig würde die Zahl der Straßenbäume von derzeit durchschnittlich vier pro 100 m Straße auf sechs steigern: Wenn die neuen Bäume eine mittlere Größe erreicht haben, könnte durch ihre ökologischen und sozialen Leistungen für die Stadt ein zusätzlicher gesellschaftlicher Nutzen im Wert von 5,8 Mio. € pro Jahr entstehen. Mit dem Stadtgrün-Bewertungstool lassen sich solche Szenarien ganz einfach per Mausklick berechnen – für die 23 größten Städte deutschlandweit.

Kühleffekt von Großbäumen

Besonders für den menschlichen thermischen Komfort sind Bäume entscheidend. Studien zeigen, dass die gefühlteTemperatur unter Bäumen um einige Grad Celsius niedriger sein kann als in der Umgebung. Sie sind damit gerade in dicht bebauten Stadtteilen kühle Oasen an Hitzetagen.2

Abb. 2: Darstellung der Oberflächentemperaturen vom Alten Hof in München an einem heißen Sommertag durch einen Thermoscan. Zu sehen ist die Kühlwirkung der Bäume durch Beschattung und Verdunstung.

Farben zeigen die Temperaturunterschiede:
wärmer → rotgelbgrünblaulila → kälter

Grafik: Thomas Rötzer TUM 2018
Grafik: IÖW - Volker Haese 2023

Ausgewählte Ökosystemleistungen einer Linde basierend auf dem Modell CityTree.3

Baumbestand erhalten

Es lohnt sich, Baumfällungen zu vermeiden. Zusätzlich zu einer Baumschutzverordnung sollten Kommunen aktiv Planungsvarianten mit weniger Baumverlusten einfordern. In Freiflächengestaltungssatzungen kann zudem ein qualifizierter Freiflächengestaltungsplan für die Baugenehmigung verlangt werden: Konflikte mit Bestandsbäumen (z.B. beim Brandschutz) können so frühzeitig im Planungsprozess erkannt werden, sodass Maßnahmen zur Sicherung während der Bauphase ergriffen werden können.

Baumfällungen für Tiefgaragen: Neupflanzungen ersetzen die Kühlwirkung erst nach 50 Jahren

Bei der Nachverdichtung von Wohnsiedlungen werden oft Großbäume gefällt, um Tiefgaragen zu bauen. Das hat starke Auswirkungen auf die Hitzebelastung vor Ort, wie eine Studie des Projekts Grüne Stadt der Zukunft zeigt (Abb. 4):

In den Szenarios wird der Baumbestand in jedem zweiten Hof für eine Tiefgarage gefällt und nachgepflanzt. Mit den jungen Bäumen (nach 5 Jahren) liegt die gefühlte Temperatur (PET) im Untersuchungsgebiet durchschnittlich nur noch 0,4 °C tiefer als auf den baumfreien Rasenflächen. Erst nach 50 Jahren wird im gesamten Gebiet eine Kühlwirkung von durchschnittlich 3,9 °C, stellenweise von bis zu 10 °C PET erreicht und somit der Verlust der gefällten Bäume wieder ausgeglichen.4 Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch schon wieder damit zu rechnen, dass sie für Sanierungsarbeiten an den Tiefgaragen gefällt werden müssen.5

Grafik: Eigene Darstellung nach Erlwein et al. 2021

Abb. 4: Unterschiedliche Wirkung von jungen und älteren Bäumen auf den thermischen Komfort im Außenraum (Baumstandorte zu erkennen als gelbe, kühlere Bereiche) für das Nachverdichtungsszenario Aufstockung um zwei Geschosse und damit einhergehend drei zusätzliche Tiefgaragen gemäß dem lokalen Stellplatzschlüssel. Simulation für einen heißen Sommertag mit dem Mikroklimamodell ENVI-met.6

Quartiersgaragen sind eine sinnvolle Alternative zu Tiefgaragen, wie dieser Steckbrief zeigt.

Wo platziert man Bäume für eine optimale Klimawirkung?

Die Leistungen eines Baumes hängen nicht nur vom Alter ab, sondern auch von seiner Vitalität. Rahmenbedingungen wie Nährstoffverfügbarkeit, die CO2-Konzentration, Strahlung, Temperatur, relative Luftfeuchte, Wind und Wasserverfügbarkeit sind entscheidend für das Wachstum. Stellen Sie eine optimale Versorgung des Baumes direkt bei der Pflanzung sicher, damit er die Klimaleistungen auch dann erbringt, wenn sie besonders wichtig sind – in Hitzeperioden.

Je nach Standort können Bäume einen positiven oder negativen Einfluss auf das lokale Klima haben. Um mit möglichst geringem Einsatz eine größtmögliche Wirkung für die Anpassung an klimatische Veränderungen zu erreichen, ist die richtige Platzierung entscheidend.

Beachten Sie folgende Aspekte:

Wo wird Verschattung benötig?

Eignet sich der Standort für Baumgruppen?

Wärmestau vermeiden

In einer Studie wurden unterschiedliche Bepflanzungsstrukturen am Münchner Bordeauxplatz simuliert. Für die Kühlung tagsüber ist v. a. die Anordnung der Bäume entscheidend, während sich nachts unter den Bäumen eher Wärme staut, sodass Grasflächen die höchste Abkühlung ermöglichen.7

Foto: Rufus 46 2011, Wikimedia (CCBY-SA 3.0)

Abb. 5: Bordeauxplatz in München.

Grafik: TUM, ZSK (Teilprojekt-1)

Abb. 6: Hier verschatten Straßenbäume Verkehrsflächen wie Rad- und Fußwege: Schnitt-Perspektive durch den Straßenraum mit ergänztem Baumbestand, begrünter Straßenbahntrasse und entsiegelter Parkplatzanlage, Leitfaden für klimaorientierte Kommunen in Bayern.8

Abwechslungsreich und strategisch pflanzen:

Platzierung bei Blockrand- und Zeilenbebauung

Der Leitfaden für klimaorientierte Kommunen in Bayern zeigt, wie Bäume in unterschiedlichen Bebauungsarten strategisch platziert werden sollen, um die Kühlwirkung zu optimieren.

Grafik:TUM, ZSK (Teilprojekt-1)
Abb. 7: Maßnahmenkarte aus dem Leitfaden (S. 80) u. a. zur Durchlüftung und zum Freihalten der Windachsen in einem historischen Stadtkerngebiet.9

Den Grundstein für ein gutes Wachstum legen:

Umfangreiche Empfehlungen zu Pflanzung und Pflege

Über die Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. können Sie weitere Empfehlungen und Details zu Planung, Pflanzarbeiten und Pflege von Bäumen beziehen.

Die passende Substratmischung

Das Gartenbaureferat in München hat eine spezielle Substratmischung für Baumpflanzungen entwickelt. Weitere Informationen, auch zum Wurzelraum, finden Sie in dieser Handreichung.

Blick in die Forschung: Baumrigolen

Für Schwammstadtkonzepte werden aktuell Baumrigolen, d. h. Baumstandorte mit unterirdischen Wasserspeicherelementen erprobt. Sie speichern Niederschlagswasser, sodass es in Trockenperioden länger zur Verfügung steht.

Grafik: © BlueGreenStreets bgmr Landschaftsarchitekten GmbH 2022

Abb. 8: Baumrigolen ohne bzw. mit Speicherelement.

Zivilgesellschaft zum Mitmachen animieren

Nützliche Tipps zur Aktivierung der Stadtgesellschaft finden Sie in unserem Leitfaden „Engagement für Stadtgrün stärken“.

Foto: © FridaysForFuture Lichtenberg 2020

Abb. 9: Aktion einer ehrenamtlichen Gießgruppe im Bezirk Berlin-Lichtenberg.

Welche Bäume und Baumarten eignen sich?

Einige Baumarten können mit den erschwerten Wachstumsbedingungen in der Stadt und mit den klimatischen Veränderungen besser umgehen als andere – vor allem trockenheitstolerante Arten. Um wirtschaftliche und langfristig wirkende Maßnahmen zur Klimaanpassung zu schaffen, sollten Sie besonders für den Straßenraum und befestigte Plätze standortgemäßen Arten wählen. Genaue Kenntnisse über den Standort und erwartete Klimaveränderungen sind eine grundlegende Voraussetzung.

Hitzestrategien unterschiedlicher Baumarten

Isohydrische Arten wie Scheinakazien oder Platanen schränken bei Wasserstress ihre Verdunstung – also auch die Kühlleistung – ein, indem sie die Spaltöffnungen ihrer Blätter schließen. Dadurch wachsen sie zudem nicht mehr optimal und binden weniger CO2. Anisohydrische Arten, die weiter verdunsten, werden hingegen bei Wasserstress stark geschädigt.

Beachten Sie folgende Grundsätze:

Wasserbedarf:

Raumanspruch:

Schattenwurf der Krone:

In folgender Literatur finden Sie Hinweise und Informationen, die Ihnen beim Auswählen der einzelnen Art helfen:

GALK Straßenbaumliste

Fortlaufend aktualisierte Informationen zu verschiedenen Baumarten, ihren Standortansprüchen und ihrer Tauglichkeit für Pflanzungen im urbanen Bereich (Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz)

GALK Broschüre Zukunftsbäume

Auszug aus der GALK Straßenbaumliste mit Fokus auf Widerstandsfähigkeit bezüglich des Klimawandels

Merkblatt zu Stadtbaumarten im Klimawandel

Vorstellung zukunftsträchtiger Stadtbaumarten des Forschungsprojekts Stadtgrün2021+ (Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau)

Leitfaden zu Stadtbäumen in Bayern (Seite 31)

Auflistung typischer Stadtbaumarten nach Trockenheitstoleranz (Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung, TU München)

Planungsdatenbank citree

Datenbank der TU Dresden zur standortspezifischen Auswahl von Gehölzen für urbane Räume

Förderung und Beratungsangebote 

Fördergelder für Höfe, Gewerbeflächen und Privatgärten (München)

München bietet Förderprogramme für private Begrünungsmaßnahmen in Höfen und Vorgärten, an Dächern oder Fassaden und lobt alle zwei Jahre den Wettbewerb „Mehr Grün für München“ aus. Zusätzlich gibt es weitere Förderungen wie im Jahr 2023 für Grenzbäume: Hierbei pflanzen Nachbar:innen auf der Grundstücksgrenze einen standortgerechten Baum und kümmern sich gemeinsam um ihn.

Foto: © Elke Kressirer 2021

Abb. 10: Den ersten Preis für Außenanlagen beim Wettbewerb „Mehr Grün für München“ 2021 erhielt die Münchenstift GmbH für die Anlage in der Effnerstraße 76. Gepflanzt wurden Eichen, Linden und Apfelbäume sowie insektenfreundliche Stauden, Blüten- und Obststräucher.

Das Projekt „Blue Green Streets“ gibt Anregungen zu blau-grünen Infrastrukturen im Straßenraum und forschte anhand konkreter Fallbeispiele in Berlin, Hamburg sowie Neuenhagen.

Auf der Website der GALK – Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz finden Sie Leitfäden und weitere Materialien.

Das Forschungs- und Innovationsprojekt „Stadtgrün 2021+“ prüfte vielversprechenden Baumarten in Langzeitversuchen auf ihre Eignung als stresstolerante, klimafeste Stadtbäume.

Mehr zu Klimaschutz und -anpassung in unterschiedlichen städtischen Bebauungstypen lesen Sie im Leitfaden für klimaorientierte Kommunen in Bayern.

Das Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung Bayern (ZSK) gibt Handlungsempfehlungen im Leitfaden zu Stadtbäumen in Bayern.

  1. Baureferat Gartenbau, Landeshauptstadt München, Auskunft per E-Mail vom 05.07.2023.
  2. Rahman, M. A., Stratopoulos, L. M., Moser-Reischl, A., Zölch, T., Häberle, K. H., Rötzer, T., Pretzsch, H. & Pauleit, S. (2020). Traits of trees for cooling urban heat islands: A metaanalysis. Building and Environment, 170, S. 106606.
  3. Daten nach: Rötzer, T., Reischl, A., Rahman, M., Pretzsch, H, Pauleit. S. (2021). Leitfaden für Stadtbäume in Bayern: Handlungsempfehlungen aus dem Projekt Stadtbäume – Wachstum, Umweltleistungen und Klimawandel. Hrsg.: Zentrum für Stadtnatur und Klimaanpassung. Selbstverlag Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, München.Basierend auf dem Modell CityTree: Rötzer, T., Rahman, M.A., Moser-Reischl, A., Pauleit, S., Pretzsch, H. (2019). Process based simulation of tree growth and ecosystem services of urban trees under present and future climate conditions. Science of the Total Environment 676, S. 651–664.
  4. Erlwein, S., Zölch, T., & Pauleit, S. (2021). Regulating the microclimate with urban green in densifiying cities: Joint assessment on two scales. Building and Environment, 205, S. 108233.
  5. Schlote, P. (2021). The Suitability of Tree Plantings on Underground Car Parks in Munich. Barriers and Drivers of Tree Plantings on Underground Car Parks in Munich According to Key Actors, Master thesis, Technical University of Munich.
  6. Erlwein et al. (2021) [siehe Endnote 4].
  7. Zölch, T., Rahman, M. A., Pfleiderer, E., Wagner, G., & Pauleit, S. (2019). Designing public squares with green infrastructure to optimize human thermal comfort. Building and environment, 149, S. 640-654.
  8. Lang, W., Pauleit, S., Brasche, J., Hausladen, G., Maderspacher, J., & Schelle, R. (2018). Leitfaden für klimaorientierte Kommunen in Bayern. Handlungsempfehlungen aus dem Projekt Klimaschutz und grüne Infrastruktur in der Stadt am Zentrum Stadtnatur und Klimaanpassung, S. 59.
  9. Ebd., S. 80. 
  10. Rötzer et al. 2021 [siehe Endnote 3].
  11. Lange, V. (2022). Zukunftsbäume für die Stadt: Vielfalt ist Trumpf! Landschaftsarchitekten, 01/2022.
  12. Landeshauptstadt München, Baureferat Gartenbau (2016). Zusätzliche Technische Vorschriften für die Herstellung und Anwendung verbesserter Vegetationstragschichten. ZTV-Vegetationstragschichten (ZTV-Vegtra-Mü).

Hintergrund

Für das Projekt „Grüne Stadt der Zukunft“ simulierten Mitarbeitende der Technischen Universität München (Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung sowie Lehrstuhl für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen) verschiedene Nachverdichtungsszenarien, um thermische Effekte unterschiedlicher Bepflanzungsstrukturen abschätzen zu können.

Impressum

Autor:innen:

Sandra Feder
Technische Universität München

Malte Welling
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung

 

Stand: Oktober 2023

Redaktion: Antonia Sladek, IÖW

Herausgeber:innen:
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) GmbH, gemeinnützig
Potsdamer Straße 105, 10785 Berlin
kommunikation@ioew.de

Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU)
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
bernhard.gill@lmu.de

Gestaltung:
Volker Haese, Dipl. Grafik-Designer, Bremen

Projekt:
„Grüne Stadt der Zukunft – klimaresiliente  Quartiere in einer wachsenden Stadt“